Kunst und Kultur am Land?

Wie vereinbar sind zeitgenössische Kunst, Freie Szene und ländlicher Raum? Welche Bilder davon haben wir in unseren Köpfen? Von Katharina Spanlang.

Welche Bilder siehst du, sehen wir, wenn wir an «Kunst und Kultur im ländlichen Raum» denken? Musikkapellen, Volkstanzgruppen und Landjugend-Theater? Sommerfestspiele in idyllischen Sommerfrische-Regionen? Vielleicht kommen uns so manche Bilder von Skulpturen in Kreisverkehren in den Sinn, wenn wir auf dem Weg zu einem Jazz-, Literatur- oder Kunst-Festival waren. Oder auch das Programm des örtlichen Kulturvereins?
Das alles gibt es und noch vieles mehr. Manches ist sichtbarer, manches unsichtbarer und wird erst durch aktives Suchen entdeckt. Vor allem die freie und zeitgenössische Kunst kommt vielen seltener in den Kopf, wenn sie an Kunst in Gemeinden und Dörfern denken. Spielen uns hier unsere Bilder einen Streich oder ist es Tatsache, dass sich zeitgenössische Kunst – und mit ihr die Freie Szene – in städtische Gebiete verlagern?

Vorstellungen und Realität

Es gibt natürlich nicht ‹den› ländlichen Raum. Jede Region hat ihre Eigenheiten. Genauso wenig gibt es ‹die› Bewohner*innen. Es gibt Leute, die sich in Vereinen beteiligen, Engagierte in der Nachbarschaft, Zugezogene und schon seit Generationen dort Lebende. Wer Initiative für die Gemeinde und die Region ergreift, gestaltet sich sehr unterschiedlich – ebenso wie die Motivation, weshalb sich Personen vor Ort engagieren.

Was die ländlichen Räume weltweit verbindet bzw. von städtischen Gebieten und deren Dynamiken unterscheidet, ist ihre Weite. Ihre Weite wird vielerorts gerne mit romantischen Bildern von Entschleunigung und idyllischen Landschaften verbunden. Die Weite bringt auch eine weitmaschige Infrastruktur mit sich. Wir kennen die Geschichten vom letzten Nahversorgungs-Geschäft im Ortskern, das nun wie alle anderen auch schließt, vom Ärzt*innenmangel in manchen Regionen, ganz zu schweigen vom fehlenden Mobilitätsangebot. Die Weite an alternativen Kunst- und Kulturangeboten und damit die erschwerte Zugänglichkeit wird wenig besprochen. Spätestens seit der Pandemie wissen wir um die Wichtigkeit von Kunst und Kultur für unser Zusammenleben und was ihr Rückgang bedeutet.

Längerfristige Entwicklungen

Dieser Rückgang ist allerdings kein Phänomen der letzten Jahre, sondern zeichnet sich seit längerem ab. Bereits im Jahr 2018 machte die deutsche Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, Hortensia Völckers, auf die ungleichen Verteilungen von Kulturmitteln zwischen städtischen und ländlichen Gebieten aufmerksam:

Während Großstädte ab 500.000 Einwohner*innen 151 EUR pro Kopf und Jahr zur Verfügung haben, um in Kultur zu investieren, sind es in Kleinstädten bis 20.000 Einwohner*innen 51,50 EUR pro Kopf und Jahr und in Gemeinden bis 3.000 Bewohner*innen nur noch 5 EUR.¹

Aktuelle Zahlen für Österreich liegen nicht (zumindest nicht öffentlich zugänglich) vor, was auch an einer fehlenden Forschung, Sichtbarkeit und Wahrnehmung der Problematik in Österreich liegen könnte. Während in städtischen Gebieten ein dichtes, ausgewogenes und kontinuierlich finanziertes Kunst- und Kulturangebot gefördert wird, hängt im ländlichen Raum das Angebot von lokalen, selbstorganisierten Initiativen ab.

Doch die Freie Szene und alternative Kunst- und Kulturräume in ländlichen Räumen existieren und sind in ihrer Lebendigkeit und Wichtigkeit für Regionen nicht zu unterschätzen. Sie sorgen dafür, dass kritische Diskurse geführt werden, fördern die Kreativität und regionale Innovation und tragen zu Vielfalt und Diversität bei.

Was es braucht

Wie vieles im ländlichen Raum sind auch die Freien Szenen stark von ehrenamtlich Engagierten abhängig. Wenn ich in diesem Artikel von der Freien Szene spreche, spreche ich von Menschen, Organisationen, Projekten und Räumen, die nicht gewinnorientiert arbeiten. Um die Freie Szene im ländlichen Raum zu erhalten, braucht es dennoch eine kontinuierliche und professionelle Kulturarbeit und für diese eine entsprechende Finanzierung. Dass größtenteils Kulturarbeit im ländlichen Raum als Ehrenamt gelebt wird, hängt zum einen mit der Tradition des ehrenamtlichen Engagements ebendort zusammen. Sport- und Musikvereine, die Freiwillige Feuerwehr oder die Landjugend tragen sich größtenteils durch ehrenamtliche Tätigkeit. Während viele Vereine über die Jahrzehnte Strukturen aufgebaut haben, die es ihnen landes- und bundesweit ermöglichen, einzelne Schlüsselstellen zu finanzieren und im Rückkehrschluss ihre Strukturen zu erhalten, trifft das für die freie Kunst und Kulturarbeit nicht zu. Damit sich Engagierte kontinuierlich ehrenamtlich einbringen können, braucht es ein Minimum an Basisausstattung: Räumlichkeiten, technisches Equipment, eine bezahlte Koordination, etc. Zum anderen wurde von der Politik und vielen Förderstellen verabsäumt, Kulturarbeit und künstlerische Arbeit als Arbeit anzuerkennen. Oft werden Personalkosten durch Förderungen nicht gedeckt, da von ehrenamtlichen Strukturen ausgegangen wird. Es braucht hier klare Stellungnahmen der Politik und der Förderstellen.

Best Practice

Dem OKH Vöcklabruck ist es in den letzten zehn Jahren gelungen, kontinuierlich nachhaltige Strukturen aufzubauen. Die Freie Szene wurde gestärkt, der Standort Vöcklabruck auch für Firmen aufgewertet und das OKH stellt einen wichtigen Anknüpfungspunkt für neu Zugezogene dar. Auch ein Festival der Regionen trägt wesentlich zum Aufbau und zur Stärkung der Freien Szene und der zeitgenössischen Kunst bei. Biennal begibt es sich jeweils in eine neue Region in Oberösterreich, um u. a. gemeinsam mit regionalen Initiativen regionale Kulturarbeit sichtbarer zu machen.

Für eine Diversität an Bildern und Geschichten, die wir uns über ländliche Räume schaffen wollen, ist es maßgebend, eine Freie Szene langfristig und nachhaltig zu fördern.

¹ Vgl. „Das Kulturangebot erodiert.“ Hortensia Völckers im Gespräch mit Karin Fischer. 19. 9. 2018.
→ deutschlandfunk.de

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