Ein erster Blick über den Zaun am Feld von Kunst und Kultur

Von Schnittstellen, Grenzziehungen und Durchlässigkeiten berichtet Otto Tremetzberger

Die Reihe der Kulturpolitischen Kamingespräche hat sich zum Ziel gesetzt, die Frage nach der Durchlässigkeit von Kunst- und Kultur hin zu anderen gesellschaftlichen Bereichen zu erörtern.

Aus vielen und nachvollziehbaren Gründen, die hier alle zu nennen, müssig genug ist, ist zunächst einmal das soziale Feld angesprochen. Zwei Gründe seien besonders hervorgehoben. Erstens: Weil Kunst und Kultur angeblich auch gesellschaftliche Bezüge herstellen können oder sollen. Zweitens: Weil die Welt schlecht ist, der Markt weder öko noch sozial und der allgemeine Druck auf fast alle und jeden wächst, wie die Sorgen und die Arbeitslosigkeit und die Hochhäuser in Dubai. Wer keine Arbeit hat und keine Zukunft, braucht irgendwann eine Beschäftigung. Wer ohne Kaufkraft ist, erst recht. Brennende Autos und Häuser sind Warnung genug, um auch im Jahrzehnt der Ehrenamtlichkeit der entstaatlichten Bürgergesellschaft ein bisschen den Glanz zu nehmen.

Das wachsende soziale Feld bietet nicht nur eine breite Palette an Dienstleistungen und Services, die eine Beteiligung von Kulturund Kunstschaffenden besonders nahelegen – überall also, wo die von den Universitäten abgeholten formalen Kompetenzen brauchbar sind: Malenkönnen, Töpfernkönnen, Fotografierenkönnen, Filmmachenkönnen … Es ist auch in unterschiedlichen Wortkombinationen mit Kunst und/oder Kultur die Chiffre für allerlei Interventionen ausserhalb der sterilen Galerien und Kunstpaläste; kritisch, gesellschaftspolitisch, transdisziplinär, auch partizipativ. Worte, die für sich genommen, nicht viel sagen und die angebliche Kunst im Kontext eher im Nirgendwo verorten als im Zusammenhang. Im gut besuchten Kunstraum Goethestrasse tat man sich auch merklich schwer, das vordergründig einmal unbezweifelt Besondere dieser Ansätze künstlerischer Arbeit zu konkretisieren. Die angekündigten Praxismodelle blieben doch eher vage Überschriften und die Frage, aus welcher Kompetenz heraus justament Künstler im sozialen Feld agieren sollten blieb bis zum Schluss, und auch danach,
unbeantwortet.

Weil Kunst anders ist
Was ist es also das Andere, das Besondere, der andere Zugang, den Kunst und Kulturschaffende angeblich einbringen, wenn sie in die Felder des Sozialen, der Wirtschaft, der Politik, der Verwaltung usw. vordringen? Innerhalb des Kunstfeldes mag es nicht nur identitätsstiftend und praktisch, sondern auch durchaus ausreichend sein, sich einfach nur als anders zu definieren, gerade auch als Abgrenzung. Sicher ist, dass das Andere vor allem dann zu konkretisieren ist, wenn es um die Grenzen und Durchlässigkeiten von Kunst und Kultur zu den oben genannten (anderen) Feldern geht.

Von Credits und Zusatzqualifikationen
Wenn die Kernkompetenz von KünstlerInnen darin bestehen soll, es, was immer es sei, anders zu machen, so Martin Fritz aus dem Publikum, dann müsse auch jede Kunstausbildung eben das Andersmachen unterrichten. Ansonsten sitze die Behauptung der Schlüsselkompetenz des anderen Zuganges einem Zirkelschluss auf. Dass wir alle, wie Susanne König von Kunst im Kontext in den Raum stellte, ausgebildet werden und dann ganz woanders landen, hat seinen Grund. Von bestimmten Ausbildungen werden eben bestimmte Kompetenzen erwartet, die einen (oft nur angeblich) für das eine oder das andere qualifizieren oder disqualifizieren. Zertifizierung ist das Stichwort und der Idee nach vielleicht eine Art von Diplomatenpass zwischen den Sphären. Zusatzausbildungen sollen abdecken, was im Kunststudium keinen oder noch keinen Platz hat. Wer hin- und herreisen will, muss es aber nicht nur dürfen, sondern auch können. Kunst und Soziales trennen noch dichte Heckenstreifen und für die Herstellung gesellschaftlicher Bezüge, so wird es wohl sein, fehlen noch die einen oder anderen Spaten und Flaggenhacken und mit ihnen die zertifizierten Profis, die für die richtige Durchlässigigkeit sorgen, auflaufende Wildkräuter besonders fördern und Konkurrenzgewächse ausschälen. Aber Vorsicht: Credits und Zusatzqualifikationen tendieren dazu, die Sicht auf die eigentliche Kernkompetenz zu verdecken. Unter der Tuchent der Postgraduates, Masters und Zertifikate liegen zahlreiche Schwierigkeiten, Widersprüche und noch mehr Missverständnisse, die Kunstschaffenden ausserhalb ihrer Kreise erst recht enge Grenzen setzen. Wo die Kultur selbst marginal ist, sind es auch die zusatzqualifizierten Kulturschaffenden. Und wo das Andere undefiniert ist, bleiben den Kulturschaffenden auch in den fremden Feldern nur die kleinen Beete zum Ackern.

Mag. Otto Leopold Tremetzberger, MBA

Otto Tremetzberger studierte Theaterwissenschaften, Philiosphie sowie Kultur- und Medienmanagement, Mitbegründer und
Geschäftsführer des Freien Radio Freistadt

www.otre.at

www.cody.at

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