Bewegung in alten und jungen Beinen.

Andi Liebl erlebt das Auferstehen von BürgerInneninitiativen im Wehrgraben Steyr mit.

 

Wahrlich überschlagen haben sich die Ereignisse der letzten Wochen in Steyr. Eine BürgerInneninitiative fordert Mitsprache bei der Verplanung der letzten unverbauten Flächen im historischen Wehrgraben, lädt zu einem Stadtteilgespräch und bringt dadurch die städtische Politik, allen voran Bürgermeister David Forstenlechner, gehörig ins Schwitzen.

Anlass genug, die Hintergründe aufzuzeigen. Rund 130 Menschen waren der Einladung in das Jugend- und Kulturhaus Röda gefolgt und gaben in zwei ausgedehnten Redeblöcken ihrer Empörung Raum. Das Podium, besetzt mit Dr. Kaiser, Denkmalschutzbeauftragter und offizieller Vertreter der Stadt Steyr, Dr. Jodlbauer von der Fachhochschule Steyr und Ing. Schnopfhagen, Sprecher der BürgerInneninitiative, hatten 3 Stunden mit der Beantwortung von Fragen und Formulierung von Szenarien betreffend des Stadtteils zu tun. Auslöser für die Initiative ist das Gaswerkgelände, ein nahezu brach liegendes Grundstück inmitten des Wehrgrabens. Hier handelt es sich selbst laut ExpertInnen aus dem Gestaltungsbeirat der Stadt Steyr um ein in höchst sensiblem Umfeld gelegenes Gebiet mit hohem Potential für künftige Nutzungsmöglichkeiten. Gleichzeitig ist das Gaswerkgelände die letzte Baulandreserve im dicht besiedelten Wehrgraben.

Was ist geschehen? Lange Zeit nichts. Und das, obwohl das Objekt der Auseinandersetzung spätestens bereits in den 70er Jahren des vergangenen Jahrtausends Schauplatz heftigster Kontroversen war. Es geht um den Wehrgraben, ein künstlich angelegtes Gerinne von ca. 1,5 km Länge kurz vor dem Zusammenfluss der Steyr mit der Enns. Im 19. Jh. wuchs der Wehrgraben zur Heimstätte einer für damals typischen mittlerweile denkmalgeschützten Industrielandschaft. Bis 1962 hatte die Wehrgrabenkommune den entscheidenden Einfluss über das Gebiet (Wassernutzung). Angesichts abwandernder Betriebe und desolater Baubestände entschloss sie sich jedoch zum Verkauf an die Stadt, die um 712.660 Schillinge zuschlug. Somit wanderte das Wehrgrabengerinne und 90.000 Quadratmeter weiterer Grundstücke in den Besitz der Stadt Steyr. Konfrontiert mit notwendigen Sanierungsmaßnahmen im Stadtteil und an den Wehranlagen sah die neue Eigentümerin in der Zuschüttung des Wehrgrabenkanals eine schicke Lösung (1970), nebenbei würde auch der stagnierenden Bauwirtschaft Gutes getan. Doch die Verantwortlichen haben nicht mit dem breiten Widerstand der AnrainerInnen und deren aufsehenerregenden Aktionsformen gerechnet: 15 Jahre nach dem Zuschüttungsbescheid wurde dieser aufgehoben und die Rettung des Wehrgrabens war Geschichte.

In diese Zeit fallen neben der Errichtung des Museums Arbeitswelt auch etliche Untersuchungen und Studien zum Umgang mit und zur Entwicklung von dem in die Schlagzeilen geratenen Stadtteil. Umfassende Konzeptarbeit wurde mit diesen Unterlagen jedenfalls nicht betrieben. Mit den 90er Jahren siedelte die Fachhochschule und das Forschungszentrum Fazat in den Wehrgraben und wandelten mit millionenschwerer EU-Förderung die leerstehenden Hackwerke in ein Studien- und Forschungszentrum. Mit dem neuen Jahrtausend wurde ein Zubau notwendig, der in Form eines dreigeschossigen Betonblocks zwischen historischer Baustruktur hochgezogen wurde. Der Verkehrszuwachs ist weder im ruhenden Bereich noch im fließenden den neuen Anforderungen gewachsen. Erschwerend hinzu kommt noch eine restriktive Parkraumbewirtschaftung, deren Mitursache in einer privat errichteten Tiefgarage und den mit der Stadt verhandelten Gegenleistungen zu finden ist. Tatsächlich ist es nicht einmal möglich die baurechtlich vorgeschriebenen Parkplätze für die Fachhochschule im Wehrgraben unterzubringen, allerdings gibt es von Seiten des Bürgermeisters Versprechungen hier Lösungsansätze zu finden.

„Optimal für Studentenheim“ war im Februar 2003 zu den Verbauungsplänen des Gaswerkgeländes im Wehrgraben von Bürgermeister David Forstenlechner per oö. Rundschau zu vernehmen. Damit wurde seit langer Zeit das Thema Wehrgraben wieder aktiviert. Auch von den Grünen wurde die Brisanz des Themas erkannt und passend vor dem Wahlkampf 2003 die Forderung nach Sanierung und Revitalisierung von Altstadtquartieren in bedrohten Stadtteilen wie dem Wehrgraben erhoben. Nun ist noch eine BürgerInneninitiative auf den Plan getreten, Stadtteilentwicklung nicht dem Zufall zu überlassen. Unter den FürsprecherInnen finden sich nicht nur AktivistInnen aus den 70er und 80er Jahren, sondern auch eine relativ junge Fraktion, die in der weiteren Entwicklung des Wehrgrabens die Grundlagen eines lebendigen, pulsierenden Stadtteils sehen. Und dazu gehört eben auch der Gedanke, Frei- und Grünflächen zu planen und von Betondenkmälern zu verschonen.

Andi Liebl ist KUPF-Mitarbeiter und Vorstandsmitglied des KV Röda

http://www.wehrgraben .at http://www.steyr.gv.at http://www.roeda.at

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