Bis 2024 halte ich durch!



Barbara Rieger versucht dort zu leben und arbeiten, wo andere Urlaub machen: im Almtal.

Ich bin in der Grazer Innenstadt aufgewachsen, habe viele Jahre in Wien gelebt und bin, was Kultur betrifft, verwöhnt. Als ich 2020 nach Scharnstein zog und kurz darauf Mutter wurde, als ich den Kinderwagen mit meinem Baby die Alm flussaufwärts und flussabwärts schob und nur Bäume sah, sagte ich mir: Bis 2024 halte ich durch! Denn dann werden wir hier, die Gemeinden Grünau, Scharnstein, Pettenbach und Vorchdorf zur Kulturhauptstadt-Region (KHR) Europas gehören, dann wird hier etwas los sein! Doch was? Und wie stehen lokale Kulturtätige und -verantwortliche dazu?

Scharnstein

Ich sitze im Treibgut, dem Café in den Gastro- und Kulturcontainern der Moserei. Während sich die aktuelle Betreiberin Karla Schmutzer um die Fertigstellung der Quiche kümmert, erzählt sie mir von der Stimmung unter den Gäst*innen: „Viele Kulturtätige bemühen sich seit Jahren um ein aktives Kulturleben am Land und sind ein wenig enttäuscht, dass der Anspruch lokale Initiativen zu fördern, bis jetzt nicht eingelöst wird.” 

Ich telefoniere mit Christa Öhlinger-Brandner, der Leiterin des Zukunftsbüros Scharnstein. Sie verrät, dass ihr sechs Projekteinreichungen für Scharnstein und zwei für das gesamte Almtal vorliegen. Welche davon mit einer Unterstützung der KHR umgesetzt werden, ist derzeit allerdings offen. Sie selbst betreut das Agenda21-Impulsprojekt Kultur.Bus.Haltestellen: Nach den Plänen von Schüler*innen der HTBLA Hallstatt wird Scharnstein zwei Wartehäuschen aus Beton sanieren. Geplant ist, dass sich möglichst viele KHR-Gemeinden der Sanierung bis 2024 anschließen.

Es soll Vernetzungstreffen für die Umsetzung jener Projekte geben, die von der KHR nicht gefördert werden. Hier könnte Gomde – das Zentrum für Buddhistische Studien und Meditation in Scharnstein – als Ort der Zusammenkunft eine Rolle spielen. Oder das renovierte Sägewerk Schönau 8. Ein Kulturstammtisch ähnlich dem in Bad Ischl wird im Almtal seitens des Kulturverein zMühldorf angedacht.

Grünau im Almtal

Ich maile nach Grünau. Märchenerzähler Helmut Wittmann ist für mehrere seiner Projekte mit der KHR im Gespräch: „Das ist sehr konstruktiv, aber vollkommen ergebnisoffen, wie man so schön sagt.” Das internationale Treffen der Erzähler*innen im Jahr 2024 wird jedenfalls in der Region stattfinden. Grundsätzlich sieht der Märchenerzähler die KHR-Initiative als reizvolle Möglichkeit zu einem Austausch jenseits des eigenen Schrebergartens. Autor René Freund hingegen sieht sich nicht unbedingt von solchen Festivals inspiriert, für 2024 hofft er nur, „dass die Seuche und der Krieg zu Ende sind.“ Der Grünauer Bürgermeister sagt mir am Telefon, es sei noch zu früh, um Konkretes zu veröffentlichen. 

Pettenbach

Der Pettenbacher Bürgermeister hofft, dass der Besuch von KHR-Teammitglied Stefan Heinisch mehr Klarheit bringt, auch in Bezug auf das Thema Mobilität. Das ehrenamtlich geführte Schrift- & Heimatmuseum Bartlhaus in Pettenbach hat sich anlässlich 2024 Verstärkung von der Kulturvermittlerin Angelika Doppelbauer geholt. Sie meint: „Die Kulturhauptstadt-Initiative ist ein guter Anlass, das Haus zu öffnen und das Angebot niederschwelliger zu gestalten, sowie die vielen in der Region vorhandenen Museen zu vernetzen!” Vom Bartlhaus wurde unter anderem eine Residency für Kalligraph*innen eingereicht.

Vorchdorf

Bettina Hutterer, die Obfrau des Kulturausschusses von Vorchdorf erzählt mir im Gespräch, dass bereits zwei Projekte der Gemeinde Vorchdorf eine Absage erhalten haben. Für ein drittes, von ihr betreutes Projekt, bei dem es um kleine, nur vom Zug aus zu sehende szenische Darstellungen entlang der Traunseetram geht, hat sie noch keine Rückmeldung erhalten. Diese Ungewissheit findet sie „schon ein wenig schwierig.” 

In Bezug auf 2024 herrscht hier im Almtal also (noch) keine Euphorie. Nur wenige Minuten, nachdem ich zugesagt hatte, diesen Artikel zu schreiben, erreicht mich die Absage zu einem von mir über den Open Call der KHR eingereichten Buchprojekt. Ich bleibe trotzdem. Denn klar ist auch: Die Kulturtätigen im Almtal werden auch unabhängig von der KHR aktiv sein und ihr Ding machen. 

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