Lieb* Les*, * du das liest …

Zum Weltfrauentag denk Tanja Brandmayr über Sprache und dernen Wirkung nach.

… hier geht’s um „geschlechtergerechte Sprache“, um KUPF-Praxis und darum, dass Sprache Wirklichkeit konstruiert. Achtung, vielleicht nur eine Kleinigkeit! Warum die aber mit Weltfrauentag, Diskurs, diversen Sprachgefühlen, aber auch mit Kritik an der KUPF zu tun hat, lesen Sie hier.

Ausschließlich „Leserinnen“ in den KUPF-Texten? In diesem Artikel geht es um geschlechtergerechte Sprache, die die KUPF immer schon praktiziert hat und sich derzeit als Entscheidung ausdrückt, ausschließlich die „weibliche Schreibweise“ gewählt zu haben. Schaut wie eine Kleinigkeit aus, ist aber bei genauerer Betrachtung komplex, denn eine weibliche Sprache wird sowohl im sprachwissenschaftlichen als auch im feministischen Diskurs mal mehr forciert und ist dann mal postuliert weniger existent. Weibliche Sprache, das reicht etwa von einer Praxis des „zyklischen Schreibens“ bis hin zur Aussage „Es gibt keine weibliche Sprache“. Dazwischen herrscht (sic! … no na) natürlich heftiger diskursiver Wettstreit: Denn wenn Feminismus und Sprachwissenschaften zusammenkommen, geht’s schnell mal ans Eingemachte. Eine wichtige Erkenntnis aus den Sprachwissenschaften ist etwa, dass „männlich“ nicht einfach in „weiblich“ umgewandelt werden kann, und eine andere wichtige Erkenntnis aus der Geschlechterforschung von Feminismus bis Queer Theory: Dass das nicht nur nicht notwendig ist, sondern geradezu kontraproduktiv keinen Sinn macht – denn sowohl die eindeutige geschlechtliche Identifizierung in männlich/ weiblich, sowie jede Hetero-Hegemonie erweisen sich als die eigentliche (geschlechtliche) Wirklichkeit diskreditierend.

Eine sprachliche Konsequenz aus den Bemühungen zur geschlechtergerechten Sprache ist, neben der Nennung beider Geschlechter (oder der geschlechtsneutralen Sprache), das allseits bekannte Binnen-I. Eine andere Konsequenz aus dem progressiveren Diskurs der queeren Theorien ist die Verwendung eines _gaps. Beiden Schreibweisen ist zu eigen, dass sie gewissermaßen ins „Zeichenhafte“ gegangen sind, um die herkömmlich männliche (Hetero-)Dominanz der Sprache zu irritieren, bzw. um die diffusen Konstruktionen der Geschlechter von Sex bis Transgender aufzuzeigen (wobei der Gender_gap dies um einiges theoriedurchdrungener tut als das Binnen-I). Grammatikalisch gesehen sorgt die Verwendung dieser Zeichen hier für Unschärfen oder Sonderkonstruktionen wie das Binnenmajuskel (z.B. eineR) und ähnliches… Was wiederum durch eine andere, jedoch weniger gebräuchliche Schreibweise verhindert werden könnte: Das auch von queer kommende Gender-Sternchen *, das imstande wäre, die geschlechtlichen Markierungen, sozusagen in der vollen queeren Lückenhaftigkeit sprachlich zu ersetzen (siehe Überschrift!). Denn dieses Zeichen setzt zwar auf queer, ist aber zumindest grammatikalisch völlig geschlechtsneutral. Eine andere Variation wäre noch die Verbindung von Queer Theories und der Betonung des Weiblichen, was sich dann z.B. als „Leser_Innen“ niederschlagen würde (gap und großes I). Und und und.

Die KUPF pflegt nun interessanterweise seit wenigen Jahren die Praxis, ihre Texte einheitlich nur in „weiblicher Schreibweise“ zu veröffentlichen. Das heißt: Es gibt nur die „Liebe Leserin, die du das liest“, was im sprachwissenschaftlichen Duktus das Ersetzen des generischen Maskulinums durch das generische Femininum bedeutet. Also eine Strategie der bewussten GeschlechterUNgerechtigkeit, die Irritation erzeugen soll, um den gesellschaftlichen Status Quo zu hinterfragen. Dass dies auch so gemeint ist, belegt der im Impressum notierte Satz, mit dieser Schreibweise „Männer herzlich mit zu meinen“ – umgekehrt das Hauptargument, wenn es um die Rechtfertigung der rein männlichen Schreibweise geht. Nun ist diese weibliche Schreibweise insofern aber nicht unumstritten (seit einigen Wochen auch KUPF-intern), als dass sie zuallererst die queer-feministischen Inhalte zu negieren scheint oder innerhalb dessen auf eine einzige subversive Strategie, nämlich die der Parodie zurückgreift. Solch eine Strategie mag zwar hin und wieder funktionieren, ist aber in ihrer Gesamtheit auf eine recht irritierende Art irritierend, da in der redaktionellen Praxis zu oft nur im Nachhinein eine Umbenennung von Gender-Schreibweisen betrieben wird. Dass ein „herzliches Mitmeinen von Männern“ zudem weder tausende Jahre Patriarchat noch die weiterhin überall vorhandene Dominanz von Männern mit einem Augenzwinkern wegwischt, sollte auch klar sein. Darüberhinaus bildet die Verwendung einer „weiblichen Schreibweise“ nicht unbedingt Realität ab, da es entweder nicht so viele Kulturpolitikerinnen gibt, wie es nach Lesen der KUPF-Zeitung scheinen mag, oder im häufigen Kontext der inhaltlichen Kritik die ausschließliche Nennung der weiblichen Form sogar kontraproduktiv wird. Eine simple Umbenennung in eine weibliche Form suggeriert weiter, dass eine weibliche Sprache (und eine weibliche Wirklichkeit?) einfach herzustellen sei. Allergrößter Respekt vor diesem Vorhaben – aber das Gegenteil ist der Fall: Das betrifft Wortetymologien und geht bis dahin, dass Schriftstellerinnen wie Marlene Streeruwitz die herkömmliche Verwendung von Satzkonstruktionen, Satzzeichen oder Absätzen ablehnen – weil diese Hierarchien in den Text bringen, die für eine feministische Autorin so nicht funktionieren. Nicht zuletzt betrifft eine weibliche Sprache Inhalt und Stil, Sprache ist nicht zuletzt etwas zutiefst Persönliches und Individuelles. Alles in allem kein leichtes Unterfangen.
Keine Frage: Sprache konstruiert Wirklichkeit. … Aber auch Autorinnen und Autoren konstruieren Sprache, in einer Weise, die für ihren Stil und ihre Positionierung zur Gender-Thematik stimmig ist. Für die Sprache der KUPF-Zeitungsautorinnen und Autoren bedeutet das derzeit, dass sämtliche Schreibweisen der weiblichen angepasst werden (v.a. Binnen-I und _gap). Das ist auch KUPF-gesellschaftspolitisch nicht ganz konsequent, weil nicht nur diverse Positionen zur Gender-Thematik eingeebnet werden, sondern zumeist Schreibweisen von dezidiert feministischen Autor_innen (!) nach dieser Vorgabe umgeändert werden. Außerdem folgt die KUPF hier auch nicht ihrem eigenen Grundsatz der kulturellen Diversität, der zweifelsohne auch auf sprachliche Diversität angelegt sein könnte – wieso nicht eine Vielfalt an Gender-Schreibweisen zulassen? Schließlich könnte, um am Ende Simone de Beauvoirs „anderes Geschlecht“ zu zitieren, das „Andere“ nicht auf das „eine Andere“, sondern auf eine Vielfalt des Anderen hinweisen. Tut es ja auch eigentlich – in jeder halbwegs aktuellen Theorie. Das wäre doch eine simple und schöne Konsequenz zum Weltfrauentag – für alle Geschlechter. Dies als Kommentar für folgenden Status Quo: Die KUPF-Zeitung bleibt (vorläufig?) in weiblicher Form abgefasst, es gibt eine Ausnahme in dieser Ausgabe, die Diskussion bleibt offen.

Tanja Brandmayr ist freie Kunst- und Kulturschaffende mit Arbeitsfeldern von Text bis Bühne. Aktuelles Projekt: »Personality Tracks« am 26. April im Linzer Posthof – das kürzeste Tanztheater- Roadmovie der Welt.
 
 

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