Nach zehn Jahren hat sich die Stadt Linz entschieden, den Kulturentwicklungsplan (KEP) zu evaluieren und neu zu fassen. Der Prozess wurde im September 2011 gestartet und läuft – unter Einbindung einer großen Öffentlichkeit – bis Mai 2012. In ihrer Funktion als Mitglied der Steuerungsgruppe für den KEP sprach die KUPF mit Lentos-Direktorin Stella Rollig.
Was sind die Aufgaben der Steuerungsgruppe des KEPneu?
Wir haben uns mit den Ergebnissen der Grundlagenforschung auseinander gesetzt und die Themen für die „Visions- und Zielfindungsworkshops“ festgelegt. Wenn wir bemerken, dass es zu einem Themenbereich zu wenige Äußerungen gibt, versuchen wir, qualifizierte Beteiligung zu aktivieren. Und wir achten darauf, dass die Ergebnisse adäquat in den Kulturentwicklungsplan eingearbeitet werden.
Das Lentos war ein zentrales Vorhaben des ersten KEP, in dem man sich eine „impulsgebende Rolle bei der Auseinandersetzung mit allen Formen zeitgenösischer Kunst“ wünschte. Ihre Bestellung folgte daraus. Dennoch brandete bereits 2005 eine Welle der Kritik gegen die Direktion.
Ich glaube, dass nicht von allen Entscheidungsträgerinnen und -trägern genau überlegt war, welche Funktion diese große Institution in einem so prächtigen und repräsentativen Gebäude hier in Linz haben kann. Man hat wahrscheinlich das Programm der Neuen Galerie Linz, die um einiges kleiner und viel weniger sichtbar war, auf das Lentos projiziert und sich gedacht: In der Neuen Galerie hat es auch eine Chagall-Ausstellung und andere große Namen der Kunst gegeben – wenn wir dergleichen in ein funkelndes Museum stecken, wird das ganz großartig. Zum Einen brauchen solche Ausstellungen heute um ein Vielfaches höhere Mittel und sind in Linz nicht mehr finanzierbar. Zum Anderen stehen im KEP andere Erwartungen: Das Lentos solle für Kunst im öffentlichen Raum und für eine Verknüpfung mit der lokalen Szene zuständig sein. Das sind Anforderungen, die ich persönlich für sehr wichtig halte, die aber strukturell, oder im Foucaultschen Sinn der Funktionen von Institutionen, nicht mit einem sogenannten Flaggschiff des Ausstellungsbetriebs als Hauptaufgabe erfüllt werden können. Wir haben uns also zwischen alle Sessel setzen müssen, um unsere Vision von einem aktuellen Museum zu verwirklichen…
Eine Frage, die sich daran anschließt und auch zwischen den Zeilen der KEP-Relektüre schwingt, ist: Soll Kulturplanung eher von den Produzenten oder vom Publikum aus gedacht werden?
Ich bin grundsätzlich davon überzeugt, dass die Produzierenden in der Entwicklung von kulturpolitischen Plänen Priorität haben sollen. Das Argument, Politik und die Institutionen sollten sich nach den Wünschen „der Leute“ – unter Anführungsstrichen – richten, weil diese dafür bezahlen, ist natürlich massiv. Andererseits wissen wir, dass es eine homogene Bevölkerung gar nicht gibt. Das Museum wäre ganz schlecht beraten und es würde seine Verantwortlichkeit missachten, wenn es den Wünschen des Teils der Bevölkerung nachgibt, der sich in Bezug auf ein Museum artikuliert. Mein Weg ist eben der, von den Künstlerinnen und Künstlern aus zu denken, die uns mit ihrer individuellen Stimme etwas Relevantes über uns und unsere Zeit zu sagen haben. Dieses Angebot versuche ich einer möglichst breiten Gruppe zu machen.
Ein Kritikpunkt, der in den Interviews zum KEPneu häufig genannt wurde, ist die unverhältnismäßige Förderung großer Institutionen im Gegensatz zur freien Szene. Wie hat sich als Museumsdirektorin ihr Blick auf das Verhältnis von Institutionen und freier Szene verändert?
Insofern, als ich jetzt weiß, dass die Institutionen mit ebenso vielen – wenn auch anderen – Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Ein Sich-gegeneinander- Absetzen von freier Szene und Institutionen kann ich deshalb überhaupt nicht akzeptieren. Es ärgert mich auch. Natürlich haben wir hier ein regelmäßiges und verlässliches Budget. Das macht einen Riesenunterschied zu jeder Arbeitssituation, in der man das nicht hat. Aber wenn ich die Arbeitsbedingungen in dieser Institution, Museen der Stadt Linz, erläutere – mit wie wenig Personen zwei große Programme und die Arbeit im Hintergrund gemacht werden –, kann man sehen, dass wir der vielzitierten Selbstausbeutung sehr nahe sind. Ich kritisiere sehr, dass die freie Szene sich immer in einer Bittstellersituation befindet. Künstlerinnen müssen oft sehr, sehr lange warten, bis sie erfahren, ob sie überhaupt Geld für ihre Projekte bekommen. Das ist eine Zumutung! Was in Linz hingegen gut funktioniert, sind der Austausch und die Kooperationen zwischen großen Institutionen und Produzierenden aus der freien Szene. Der Austausch ist da und sehr förderlich.
Kulturentwicklung lebt auch von Meinungsmachern, Medien und Multiplikatoren. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Was den Kulturproduzierenden am meisten fehlt, ist qualifizierte Öffentlichkeit – oder Öffentlichkeiten. Deren Verfall ist leider grundsätzlich ein Phänomen unserer Zeit. Das tut der freien Szene schlecht, und uns gleichermaßen. Wenn ich einen Wunsch an eine gute Fee richten könnte, um meine Arbeit und überhaupt das, woran mir liegt, zu verbessern, wäre das ein Niveausprung der Öffentlichkeit. Das betrifft die großen General-Interest-Medien, Tageszeitungen und Zeitschriften, das betrifft öffentliche Diskussionen, und auch alle Formate, die uns im Internet zur Verfügung stehen. Es ist wirklich schrecklich, auf welchem Niveau – mit Ausnahme von kleinsten gallischen Dörfern – heute diskutiert wird.
Sollte es Ihrer Meinung nach im KEPneu ein Budget für Kulturmedien geben?
Das wäre wünschenswert, um Redaktionen zu professionalisieren. Um ein Beispiel zu nennen – ich finde, die Einstellung von spotsZ ist ein großer Verlust. Obwohl wir darin oft kritisiert wurden, und auch wenn es manchmal recht flapsig daher gekommen ist, spotsZ habe ich immer ernst genommen. Dass so eine Zeitung nicht überleben kann – die müsste bitte wirklich gefördert werden! 06