Die Studie „Medium Internet und die Freie Szene“ der OÖ. Gesellschaft für Kulturpolitik hat den Grundstein gelegt. Jetzt soll ein von KUPF und servus.at gemeinsam entwickeltes Positionspapier dem Ziel der Errichtung eines „Cultural Highway“ politisch Nachdruck verleihen. Über die Bedeutung der Netzwerkkultur und die Strategien ihrer Verwirklichung diskutierten an einem Round-Table Sabine Bauer (Studienautorin), Gerfried Stocker (Leiter des AEC), Gabi Kepplinger, Bert Estl, Tom Lehner (alle servus.at) mit Udo Danielczyk und Martin Wassermair.
von Martin Wassermair
Wassermair: Wir sollten mit zentralen Fragen beginnen: Worin liegt eigentlich die Bedeutung, mit Kulturinitiativen in den Cyberspace zu gehen? Wo liegen die Möglichkeiten und Grenzen? Welchen Stellenwert hat die Anbindung von Kulturinitiativen an einen „Cultural Highway“ im Zusammenhang mit der Kulturentwicklung dieses Landes?
Bauer: Ich denke zunächst, hier in OÖ. trifft man auf ein ausgesprochen innovatives Potential, das sich nicht nur in Linz befindet, sondern auch in den anderen Gemeinden und Regionen. Bei meiner Umfrage zur Erarbeitung der Studie ist sehr stark aufgefallen, daß die Bereitschaft da ist, das Medium Internet zu nutzen, aber finanziell ein großes Manko herrscht. Da sehe ich das Problem, daß mit der Zeit zu kommerzielle Strukturen entstehen, die irgendwann auch über die Inhalte bestimmen könnten. Um hier einen freien Zugang zu halten, müßten alle beteiligten Institutionen, das AEC, servus.at sowie die KUPF mit ihren Kulturinitiativen an einem gemeinsamen Strang ziehen. Sie sollten jedenfalls darauf achten, keine Parallelstrukturen zu bauen, die meiner Meinung nach sehr ineffizient wären, da das Ziel eines „Cultural Highway“ nun einmal sehr kostenintensiv ist.
Stocker: Es gibt ein paar Punkte, die den sinnvollen Aufbau eines Kulturnetzwerkes schwierig machen. Vorweg muß man realistisch sagen, daß die Szene, die das Medium Internet wirklich nutzen will und nutzen kann, nicht so enorm groß ist. Wir stehen sogar vor der seltsamen Pattsituation, daß dort, wo sich einzelne Szenen herausgebildet haben, diese untereinander eher „kannibalisieren“. Ein anderes Problem bildet die Frage des Zentralisierens, des Zusammenlegens, um Schwerpunkte zu bilden und irgendwo ein paar Kulturprovider aufzubauen. Das bringt schon eine gewisse Effizienz, entspricht jedoch nicht dem Programm dieses Mediums. Darüber hinaus haben wir eine unerfreuliche Situation der Bewußtseinsbildung. Es ist viel zu wenig bewußt, daß die Frage von elektronischen Medien-Netzwerken, von digitalen Kommunikationsnetzwerken wirklich eine kulturelle Dimension hat, die auch außerhalb der Medienkunst wichtig ist. Diese ist eine traditionelle Kunstarbeit mit elektronischen Mitteln, das andere aber eine wichtige gesellschaftspolitische Arbeit. Somit wird ein langer Dialogprozeß darüber notwendig sein, wie es gelingt, die neue virtuelle Öffentlichkeit der Netzwerke für kulturelle Anliegen aufzumachen.
Wassermair: Ich denke, die derzeitige Entwicklung in OÖ. ist durchaus zu begrüßen. Die KUPF verkörpert ein genuin kulturelles Netzwerk und ist daher glaubwürdig, diese Vernetzung auch im elektronischen Bereich zu errichten. Durch die Zusammenarbeit mit servus.at wird nicht nur einer „Kannibalisierung“ vorgebeugt, sondern auch eine gute Voraussetzung erfüllt, die Philosophie von „Public Access“ und Netzwerkkultur in die oftmals pragmatische Politik zu transferieren. Das könnte auf dieser Basis sehr wohl gelingen.
Stocker: Aber im Sinne der kulturpolitischen Forderungen, die so ein Vorgehen braucht, muß vor allem auch klar werden, daß das letztlich nicht ausschließlich eine Frage der Kunstbudgets sein kann. Ebenso kommt es darauf an, daß diese Plattformen nicht nur eine bestimmte Szene versammeln, sondern auf breiterer Ebene wirklich ein Kulturnetzwerk bilden. Darin liegt die große Herausforderung, im Übergang von der Einzelkämpferleistung hin zur Verwaltung einer kulturellen Dienstleistung.
Estl: Die Idee von servus.at ist aus verschiedenen Ansätzen gekommen. Von einem künstlerischen, aber ganz wesentlich auch von der Überlegung, eine Vernetzung für OÖ. herzustellen. Das ist bislang an unterschiedlichen Ursachen gescheitert: Allen voran war da immer die Problematik mit der Einwahl. Jetzt haben wir die 50-Kilometerzone, den günstigen Online-Tarif kannst Du aber nur innerhalb dieser Reichweite nutzen. Das heißt, jemand in Bad Ischl kann sich gar nicht einwählen. Darum ist es sinnvoll, dezentrale Einwahlknoten zu schaffen und den Content-Server hier zu belassen.
Danielczyk: Ich würde das Modell sogar noch weiterentwickeln, indem man den Education Highway, den das Land OÖ. verwirklicht hat, erweitert und etwa auf lange Sicht 10 bis 15 Kulturinitiativen mittels Standleitungen anbindet. Denn das Einwählen über Modem reicht vielleicht für Privatpersonen zuhause, nicht aber für einen größeren Verein, der das Medium konsequent nutzen möchte, gleich ob künstlerisch, kulturell oder vernetzerisch. Das wäre eine ganz pragmatische Lösung. Nur stößt man beim Land OÖ. leider auf taube Ohren, wenn man hier vorschlägt, das Modell als Konzept zu entwickeln. Das ist der traurige Stand der Dinge.
Stocker: Der große Widerstand kommt nicht mehr so sehr von den Politikern, auch nicht von den verantwortungs- und entscheidungstragenden Beamten, sondern von Vertretern der traditionellen Kunst- und Kulturarbeit. Wenn die hören, es sollen unter den Kulturinitiativen Netzwerke aufgebaut und Medienarbeitsplätze eingerichtet werden, dann sehen die immer nur die Tausende Schilling, die aus dem Kulturbudget dort hineinfließen und nicht mehr in ihre Galerie. Ich glaube, das AEC hat in dieser Frage bereits fruchtbringende Investitionen in die Meinungsbildung geleistet.
Wassermair: Noch einmal zu der Auffassung, daß man mit einer gewissen Breite Glaubwürdigkeit und Repräsentativität erzielt: Ich denke, wir sollten realpolitische Gegebenheiten zur Kenntnis nehmen. Die KUPF ist eine Interessenvertretung und hat daher die Interessen ihrer Klientel wahrzunehmen. Es geht jetzt darum, Ausgleiche zu schaffen gegenüber den anderen Kunstsparten, die eingesessener sind und mehr Jahre auf dem Buckel haben. Das AEC spielt dabei die Rolle eines wichtigen Türöffners. Die Bedeutung des Mediums und der Nutzung ist an der Arbeit hier im Hause deutlich ablesbar. Ich würde mir daher wünschen, daß sich das AEC in Zukunft dieser Allianz von KUPF und servus.at anschließt, um Kulturinitiativen noch mehr an das Medium heranzuführen.
Lehner: Gerade im Hinblick auf die Machbarkeitsstudie, die das Land OÖ. in Auftrag gegeben hat, wäre ein Umdenken wünschenswert. In den Köpfen der Kulturpolitiker und Beamten wird ein Projekt immer nur als solches verstanden, wenn – wie bei einer Ausstellung – ein fertiges Ergebnis zu erkennen ist. Das haben wir auch hier in Linz bei der Diskussion des Kulturentwicklungsplanes angesprochen. Um zu beurteilen, wie man solche Netzwerke betrachten soll, wäre es interessant, Kulturinitiativen und Kulturstätten stärker einzubinden.
Stocker: Zur Machbarkeitsstudie: Soviel ich weiß, wurde kritisch hinterfragt, ob diese denn wirklich notwendig sei. Ich glaube jedenfalls, es ist das gute Recht eines Politikers, der längerfristig über größere finanzielle Mittel zu entscheiden hat, daß er sich entsprechende Grundlagen aufbereiten läßt. Denn wer kann im Augenblick wirklich erklären: Welche Anknüpfungspunkte gibt es wo am oö. Datenhighway? Was heißt eigentlich Education Highway? Es geht jetzt darum, endlich zu erheben, welche Vernetzungsinfrastruktur es in diesem Bundesland gibt und unter welchen Bedingungen man sich einklinken kann. Kunst und Kultur bilden dabei eine Avantgarde, die hier etwas weiterbringt, indem sie immer hineinsticht und vorprescht.
Danielczyk: Wir haben aber das Gefühl, es geht irgendwie nichts weiter. Jetzt hört man von dieser ominösen Machbarkeitsstudie, wo wir nicht genau wissen, was genau passiert. Wo wir zwar kundgetan haben, daß wir bei der Erstellung mit eingebunden werden möchten, allerdings hat sich bislang nie jemand gerührt.
Bauer: Man kann schließlich auch sehr viel Geld ausgeben, ohne etwas gemacht zu haben. Und gerade das Beispiel Digital City Linz zeigt auf, daß man viel Geld sparen könnte, würde man sich zuvor andere Modelle und Strukturen ansehen. Besonders in der Frage nach der Bildung von Identität und Community mußten die Zuständigen später wohl einsehen, daß man Leute hätte konsultieren sollen, die eben wissen, wie man funktionierende Netzwerke errichtet. Und so weit ich das beobachten kann, behauptet die Stadtwerkstatt keineswegs von sich, Avantgarde zu sein, um sich selbst damit hermetisch abzuriegeln. Schließlich liegt vielen Kunstprojekten ein starker sozio-kultureller Anspruch zugrunde, und sie versuchen auch, mit dem neuen Medium die gesellschaftspolitische Aufgabe und Verantwortung eines freien Zugangs einzubringen.
Stocker: Die Motivationen und Zielsetzungen solcher Aktivitäten des Magistrats im Internet sind andere als jene, über die wir hier reden, wo es um Community und Öffentlichkeit geht. Darüber hinaus weiß ich nicht, wie viele Sohlen wir uns abgelaufen haben, um für bestimmte Dinge in der Digital City Linz auch Personen aus der Szene zu gewinnen. Das Angebot des AEC, hier einen Keil hineinzutreiben, wurde abgelehnt, denn die Szene wollte mit der Stadt Linz, die angeblich immer alles beherrschen will, nicht zusammenarbeiten.
Lehner: Es ist schon sehr auffällig, daß eigenständige Arbeiten eines Künstlers immer wieder aus finanziellen Gründen ins Stocken geraten, er aber sich an einer Sache beteiligen soll, wo plötzlich die Mittel vorhanden sind. Da mag die Optik sehr wohl dazu führen, daß der eine oder andere ein kritisches Wort zur Digital City findet. Ich sehe es jedenfalls als kulturpolitische Entscheidung, daß gewisse Dinge leichter finanzierbar sind als andere. Bei uns ist es in erster Linie die Knochenarbeit, den Künstlern und Kulturschaffenden einen Zugang zum Netz und einen Platz zu geben. Das ist eine ganz grundlegende Basis und ebenso wichtig, wie in weiterer Folge die Ausbildung, die Information, bis hin zur eigentlichen inhaltlichen Arbeit. Und dafür gibt es nur sehr spärlich und sehr schwierig finanzielle Mittel.
Kepplinger: servus.at kriegt gerade soviel Geld, daß wir mit Müh‘ und Not einen System Operator und die Leitungen bezahlen können. Das Notwendigste also. Es kann niemand finanziert werden, der sich so richtig darum kümmert. Das basiert alles auf freiwilligem Engagement und auf Interesse. Im Gegensatz zu den Projekten, wo eben so irrsinnig viel Geld da ist, wahrscheinlich aber auch das entsprechende Lobbying.
Stocker: Da diskutiert Ihr jetzt mit dem Falschen. Ich bin auch der Meinung, daß man weniger Autobahnen bauen sollte und dafür mehr Netzwerke. Die zentrale Frage aber ist: Wie findet man eine Vorgehensweise, mit der es gelingt, ein oö. Kulturnetzwerk zu errichten? Mit nur einem Provider ist es nicht möglich, eine solche Struktur aufzubauen, das gelingt nicht einmal im hochprofessionellen Wirtschaftsbereich. Da komme ich wiederum zur Notwendigkeit der Öffnung hin zu einem anderen Kulturverständnis. Wie weit zeige ich Bereitschaft, mich auf künstlerisch-kultureller Ebene in anderen Systemen einzubringen?
Bauer: Ich sehe in diesem Argument eine gewisse Umdrehung der Thematisierung. Es klingt für mich immer so: Wenn diese Szene nicht den Anspruch vertreten kann, einen sehr weiten Kulturbegriff zu haben, dann wird es schwierig sein, deren Anliegen politisch zu vertreten. Dem könnte man entgegnen: Wer sind denn die Leute, die bestimmte Themen diskutieren und damit überhaupt in die Öffentlichkeit tragen? Das Konzept, eine Anlaufstelle für andere Projekte zu sein, verstehe ich schon als Öffnung. Übernommen wird dabei eine notwendige demokratiepolitische Anwaltschaft für die Gesellschaft insgesamt, den Zugang zu den Neuen Medien offen zu halten.
Wassermair: Für mich resultieren aus diesem Round Table im wesentlichen zwei Anknüpfungspunkte des weiteren Vorgehens: Da ist zunächst der Druck in Richtung der verantwortlichen Politik. Dieser erfordert Kontinuität, um die grundlegende Auseinandersetzung auch permanent in der Öffentlichkeit zu suchen und zu fördern. Das zweite: Es wird für alle eine Kommunikationsaufgabe sein, gerade wenn einzelne Projekte entstehen. Es ist notwendig, an einem gemeinsamen Strang zu ziehen, denn ein unkoordiniertes Vorgehen könnte einer Politik von „divide et impera“ die Türen öffnen. Hier gilt es vorzubeugen, denn man kann auch in der Vielfalt eine Community erzeugen.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Das gemeinsame Positionspapier von KUPF OÖ;. und servus.at zu „Kulturinitiativen und Neue Medien“ kann im KUPF-Büro angefordert werden oder ist im Internet aufzufinden unter: https://kupf.at/pro/nm/nmpos.htm Bestellungen der Studie „Medium Internet und die Freie Szene“ an: OÖ. Gesellschaft für Kulturpolitik, Weissenwolffstr. 5, A – 4020 Linz, Fax: 0732 / 78 30 98, e-mail: gfk.ooe@servus.at. Preis: 180,- (inkl. Versand)