Das neue Kulturförder-Programm der europäischen Union
von Sylvia Amann
Im Mai dieses Jahres hat die europäische Union ihren Vorschlag für ein neues Rahmenprogramm für die Kultur der Öffentlichkeit präsentiert. Das Förderprogramm soll im Jahr 2000 in Kraft treten und umfaßt alle Bereiche der bisherigen Kulturförderung (Kaleidoskop, Ariane, Raphael) der EU.
Positiv ist primär die Absicht der Kommission im Rahmenprogramm für die Kultur auch der sogenannten Kulturverträglichkeit, wie sie im Kulturartikel (Art. 128 Abs. 4) des Maastrichter Vertrags vorgesehen ist, verstärkt Rechnung zu tragen. In den anderen Politikbereichen der Union außerhalb der Kulturpolitik soll also auf deren Bedürfnisse in Zukunft stärker Rücksicht genommen werden. Ausdrücklich erwähnt werden im Vorschlagspapier der Kommission beispielsweise die Strukturpolitiken. In ihnen soll die Kultur als ein vollwertiges Element für die regionale und lokale Entwicklung betrachtet werden. Auf diese Weise soll in die operationellen Programme der europäischen Regionen sowie in die Programme der Gemeinschaftsinitiativen eine ausdrückliche kulturelle Dimension aufgenommen werden. Die Kommission erwähnt in ihrem Vorschlagspapier u. a. auch die Fördermöglichkeit zur Organisation kultureller Aktivitäten sowie zur Schaffung von kultureller Infrastruktur, wie beispielsweise von Kulturzentren.
Aktionsschienen
Der Kernbereich des neuen Rahmen-Programms für die Kultur stützt sich aber auf drei Aktionsschienen: Einerseits sollen mehrjährige Abkommen über transnationale Zusammenarbeit gefördert werden, die sich besonders für große Kulturveranstaltungen und die Integration verschiedener Kulturdisziplinen eignen. Andererseits sind kleinere spezifische Projekte förderungswürdig, die den Zugang zu neuen Formen des kulturellen Ausdrucks und den Erfahrungsaustausch zwischen soziokulturellen Akteuren unterstützen. Der dritte Bereich deckt Großereignisse ab, die, um es provokant zu sagen, der Imagesteigerung der Union mittels der Kultur dienen sollen. Und an diesem Punkt muß auch einer der Hauptkritikpunkte für das neue Rahmenprogramm der Union ansetzen. Waren bisher die Förderbeiträge für beispielsweise die Europäische Kulturhauptstadt oder den Europäischen Kulturmonat äußerst marginal im Verhältnis zum Gesamtbudget der jeweiligen Veranstalter, so sollen in Zukunft rund ein Drittel der gesamt zur Verfügung stehenden Mittel für Projekte wie Kulturfestivals im Land der EU-Präsidentschaft oder auch Eurovisionen von Kultureignissen aufgewendet werden. Angesichts des äußerst bescheidenen Budgetrahmens von 167 Mio. ECU, der derzeit für fünf Programmjahre vorgesehen ist, eine für den kulturellen Bereich unverständliche Schwerpunktsetzung. Die Mitgliedsstaaten und das Europaparlament sind hier dringend aufgefordert, korrigierend einzugreifen.
Budgetaufstockung
A propos Korrekturbedarf: Große Teile des nun vorliegenden Vorschlags für ein neues Kulturprogramm zeichnen sich durch schwammige Begriffe aus, die eine sehr weite Interpretation zulassen. Anläßlich eines Treffens von VertreterInnen europaweiter Dachverbände, organisiert vom European Forum for the Arts and Heritage (EFAH) in Manchester Anfang Juni, an dem auch die KUPF teilnahm, empfahl ein Vertreter der Kommission, zwischen den Zeilen zu lesen. Aufgabe der KommissionsvertreterInnen wird es aber sicherlich sein müssen, einen entscheidenden Beitrag zur Klärung der tatsächlichen Inhalte dieses neuen Förderprogramms zu leisten. Alle Analysen und Evaluierungen im Vorfeld der Präsentation des Rahmenprogramms haben nämlich aufgezeigt, daß die Kommunikation seitens Brüssel dringender Verbesserung bedarf, wenn sie die tatsächlich Interessierten im Kulturbereich erreichen will. Die Evaluierung der bisherigen Kulturfördermaßnahmen hat ebenfalls eine mangelnde Nachhaltigkeit im Bereich der kulturellen Zusammenarbeit im Rahmen der geförderten Projekte ergeben. Die Kommission schwört nun deshalb auf die Abkehr von der berühmten Gießkanne. Projekte, an denen mindestesten sieben Mitgliedsstaaten beteiligt sind, sollen über drei Jahre gefördert werden. Jedes Jahr soll es 12 davon geben. Wenn man die Vielfalt und Vielzahl der europaweiten Kooperationen im Kulturbereich kennt, eine lächerliche Zahl. Eine langjährige Forderung nach mittelfristiger Finanzierung scheint aber nun endlich durchgesetzt worden zu sein, wenn auch nur für wenige Privilegierte.
Kooperation statt Image
Seitens des European Forum for the Arts and Heritage (EFAH) wurde im Rahmen der Vorbereitung des neuen Kulturrahmenprogramms auch immer auf die Bedeutung der Einbeziehung von Drittstaaten hingwiesen. Die Kommission sieht in ihrem Vorschlagspapier nun die Teilnahmemöglichkeit von insgesamt 29 Staaten an diesem Förder-Programm vor. Mit Sorge zu betrachten ist aber die Argumentation, warum dieser Bereich an Bedeutung gewinnt. „Die Kultur ist ein Pluspunkt für die Außenpolitik der Union“ führt die Kommission auf Seite 11 ihres Vorschlagspapiers aus. Die Rede ist auch von der Ausstrahlung der europäischen Kulturen auf Drittländer und der Notwendigkeit, die Verbindung mit den EuropäerInnen, die außerhalb der EU leben, aufrechtzuerhalten. Erinnerungen an die Außenpolitik europäischer Länder im 19. Jahrhundert werden wach – hoffentlich zu Unrecht! Eine Instrumentalisierung der Kultur für andere Zwecke stellt diese Vorgangsweise allemal dar. Und diese zieht sich leider durch den gesamten Programm-Vorschlag. Es ist die Rede von sozio-ökonomischen Auswirkungen der Projekvorhaben, die die Projekteinreicher vorweisen müssen. Die Rolle der Kultur als Feld zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts wird mehrfach betont, während die Bedeutung der Kunst und Kultur zu polarisieren, zu schockieren, etwas aufzuzeigen nicht vorgesehen ist. Klar wird diese Schwerpunktsetzung des Vorschlagspapiers, wenn VertreterInnen der Europäischen Kommission bei Diskussionveranstaltungen zum Ausdruck bringen, daß sich die Union den Luxus, die Kultur für die Kultur zu fördern, nicht leisten kann.
Gegen Instrumentalisierung auftreten
Handlungsbedarf ist also dringend gegeben. Das Rahmenprogramm „Kultur 2000“ muß in zahlreichen Teilbereichen, wie dem derzeit noch völlig unzureichenden finanziellen Rahmen, entscheidend verbessert werden. Klare Formulierungen müssen gesucht werden, und die kulturellen Imageprojekte sollten aus anderen Fördertöpfen unterstützt werden. Jetzt sind die Nationalstaaten und die Europa-ParlamentarierInnen aufgefordert, der Kommission entsprechende Rückmeldungen zu geben. Gespräche mit den europäischen Dachverbänden spielen dabei eine wichtige Rolle. Und ein verbessertes Rahmenprogramm mit entsprechender Mittelausstattung, das den Aussagen über die Kultur als zentrales Anliegen für die Union gerecht wird, muß baldmöglichst beschlossen werden. Die Phase als provisorisches Programm, wie es derzeit für 1999 vorgesehen ist, sollte nicht jahrelang fortgesetzt werden.