Die Zukunft des Humors…

…ist weiblich, queer und postmigrantisch. Genderwissenschaftlerin Verena Sperk (Universität Innsbruck) im Gespräch mit Julia Engelmayer über die wachsende Zahl erfolgreicher Humoristinnen und die vielschichtigen Themen und Zugänge, mit denen sie arbeiten.

Julia Engelmayer: Viele der heute erfolgreichen Humoristinnen sind im Internet groß geworden. Ist das ein Zeitphänomen oder haben die neuen Medien Frauen geholfen, über Hürden und Vorurteile hinwegzukommen?

Verena Sperk: Ich würde sagen, dass das Internet und insbesondere Social Media natürlich gewisse demokratisierende Momente besitzt. Hier können auch Menschen, die aus strukturellen Gründen ansonsten wenig Raum auf klassischen Kabarett- oder Lesebühnen bekommen, unkompliziert Inhalte produzieren und veröffentlichen. Es kann vielleicht gerade dadurch auch ein Publikum erreicht werden, das über sexistische Herrenwitze nicht mehr lachen kann. Natürlich gibt es online aber auch viel Konkurrenz um Aufmerksamkeit, was eine Hürde darstellen kann. Und letztlich können auch andere exkludierende Mechanismen in Bezug auf Online-Medien wirksam werden. Wer hat Zugang? Wer wird erreicht? Wer ist mit welchen Inhalten vermehrt Hass im Netz ausgesetzt?

Sind Humoristinnen häufiger als ihre männlichen Kollegen mit Abwertung und Hass konfrontiert?

In einem ihrer Auftritte geht die Komikerin Hazel Brugger ironisch auf die Frage ein, warum Männer angeblich mehr Humor hätten als Frauen. Sie thematisiert darin auch die „Sonderstellung“, die ihr als Frau im Kabarett bzw. in der Comedy oft zugesprochen wird. Ich denke, dass dieses Klischee „Frauen sind nicht so lustig wie Männer und deshalb auch nicht so erfolgreich” noch weit verbreitet ist. Stefanie Sargnagel hat schon öfter in Interviews oder auf ihren Plattformen geschildert, mit welcher Wucht in Social Media auf sie als Frau mit bissigen Witzen reagiert wird. Ich würde sagen, dass Frauen in der Öffentlichkeit und insbesondere auf Social Media deutlich mehr mit geschlechtsspezifischen Anfeindungen konfrontiert sind als Männer: vor allem sexistische Beschimpfungen und Androhung von sexueller Gewalt gehören dort zur Tagesordnung. 

Gibt es in der mittlerweile großen Szene an Kabarettistinnen, Humor-Aktivistinnen, Social Media-Comediennes und Schriftstellerinnen, die elementar mit Humor arbeiten, gemeinsame Themenfelder oder ästhetische Strömungen?

Das Feld ist sehr vielschichtig und die verwendeten Medien und Textsorten sind sehr unterschiedlich. Beispielsweise nutzen Stefanie Sargnagel und Toxische Pommes zwar beide Social Media als Plattform und Medium, doch sind es bei Stefanie Sargnagel satirische Notizen auf Facebook bzw. Twitter und bei Toxische Pommes ironische Tik Tok-Videos. Aus meiner Sicht spielt aber bei einigen Humoristinnen, wie auch bei Stefanie Sargnagel und Toxische Pommes, ein Bezug zum Persönlichen und Alltäglichen eine zentrale Rolle.

Verarbeiten Frauen häufiger autobiografische Inhalte auf Kabarettbühnen oder Plattformen? Ist Authentizität eine Kategorie?

Es ist ein Merkmal von Kabarett und noch vielmehr von Stand-up Comedy, dass ein teilweise biographisches Bühnen-Ich entwickelt und längerfristig für Auftritte etabliert wird. Humoristinnen wie Stefanie Sargnagel und Toxische Pommes sind allerdings keine klassischen Kabarettistinnen oder Stand-up Comedians. Beide haben über Social Media begonnen, humoristische Texte bzw. Videos zu veröffentlichen. Das Teilen von alltäglichen Beobachtungen aus dem eigenen Leben ist üblich auf diesen Kanälen. Bei diesen Humoristinnen fühle ich mich als Geschlechterforscherin aber auch an den Slogan feministischer Bewegungen erinnert: „Das Private ist politisch.“ Beide werfen einen sehr persönlichen Blick auf Absurditäten des Alltags. Unter anderem auch in Bezug auf Geschlecht, Klasse oder Migration.

Im Zusammenhang mit Social Media-Auftritten ist auch Authentizität eine wichtige Kategorie. Gerade Stefanie Sargnagel wird häufig als besonders „authentisch“ beschrieben. Daher ist es interessant, wie diese beiden Kategorien – das Autobiographische und das Authentische – in „Sargnagel – der Film” auch noch einmal auf den Kopf gestellt werden. Der Film greift auf, was sich Sargnagels Leser*innen häufig fragen: Ist das „echt“, was da in den Texten passiert?

Inwieweit ist die Humorperformance selbst feministische Emanzipation?

Auftritte können ein transgressives Potenzial besitzen, das heißt: Geschlechternormen können in Frage gestellt und überschritten werden. Ich würde aber nicht sagen, dass das per se ein feministischer Akt ist. Es gibt genügend weibliche Komikerinnen, die alles andere als feministische Inhalte produzieren. Sie erhöhen zwar die Repräsentation von Frauen auf der Bühne, reproduzieren in ihren Inhalten aber möglicherweise abgedroschene Geschlechterstereotype.

Welche Freundschaften, Kooperationen oder österreichischen Institutionen strukturieren heute die Humoristinnen-Szene?

Ich verfolge im Moment mit großem Interesse die Aktivitäten des Political Correct Comedy Clubs (PCCC) in Wien. Das ist eine queere und feministische Comedy-Bühne, die von der Künstlerin Denice Bourbon initiiert wurde und sich dem Prinzip „tritt nach oben, nicht nach unten“ verschrieben hat. Es sollen also keine Witze über bereits diskriminierte Gruppen gemacht werden. Komik kann durchaus ausgrenzend und abwertend wirken: Ein Witz über Autoritäten kann auf eindrückliche Weise gesellschaftliche Missverhältnisse offenlegen. Ein Witz über eine soziale Gruppe, die bereits gesellschaftlich an den Rand gedrängt ist, kann diesen Ausschluss nur weiter verfestigen. Räume und Netzwerke wie der PCCC sind wichtig, damit auch andere Formen von Komik, Comedy und Kabarett erprobt werden können.


Verena Sperk ist Universitätsassistentin im Lehr- und Forschungsbereich Kritische Geschlechterforschung des Instituts für Erziehungswissenschaft an der Universität Innsbruck. Als Kollegiatin des Doktoratskollegs »Geschlecht und Geschlechterverhältnisse in Transformation« promoviert sie zur Frage, auf welche Weise Komik, Humor und Lachen Teil einer feministischen Intervention sein können.

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