Was braucht’s im Kulturland Oö?

Was braucht’s im Kulturland Oö? Das Land Oberösterreich betont oft und gerne seine Rolle als „Kulturland“ und investiert viel in dieses Bild. Wie beurteilen die AktivistInnen der freien Szene den kulturellen und kulturpolitischen Status Quo im Lande und was braucht es ihrer Meinung nach ganz besonders?

Iris Kästel

„Die Zurückhaltung in der mehrjährigen Förderung von Infrastruktur und Raum gilt es aufzugeben und stattdessen Kunst und Kultur dauerhaften (Frei-)Raum und unbegrenzte Zeit zu ermöglichen. Es sollte in jeder Gemeinde okulos geben: offene-Kultur-Labore. Orte, an denen Menschen miteinander Gesellschaft verhandeln und sich mittels Kunst und Kultur begegnen, ihren Hunger nach Identität, Sinn und Bedeutung im «Hier und Jetzt» kreativ stillen können und auf kreative Weise Antworten auf emotionale, spirituelle und philosophische Dauerfragen des Lebens finden können.
Und das alles ohne Marktlogik, ohne Zeitdruck, auf vielfältige und vor allem niederschwellige Weise. Ein Wagnis für die Politik, denn es bleibt offen, welche Räume von wem in diesen Laboren geöffnet und betreten werden und welche neuen Räume durch diese Begegnungen entstehen.“
 
Iris Kästel ist Geschäftsführerin des Frauenforums Salzkammergut in Ebensee.
frauenforum-salzkammergut.at

Foto: Privat

Rainer Bartel

„Kultur ist, Alltägliches zu Besonderem zu machen. Es geht um Außergewöhnliches und Verblüffendes, Auf- und Anregendes, Erhebendes und Weiterführendes. Homosexuelles Leben ist längst nichts Ungewohntes; nicht einmal seine Diskriminierung ist es mehr. Gerade aus gewohnter Ungerechtigkeit funktioniert Befreiung nur mit Kultur. Die macht Konturen der Gesellschaft sichtbarer, Ecken und Kanten bewusster. Kultur pflegt Auseinandersetzung, ist Fortschreiten. Anderssein an sich ist noch keine Kultur, aber Kultur muss stets anders sein. Was das Land braucht? Ein Zentrum von und für Minderheiten – nicht zuletzt für die Mehrheiten selbst –, mit Kultur, von unten getragen und von oben finanziert, von manchen gefordert und von vielen herausgefordert. Gab es da nicht einmal ein Kommunikations- und Kulturzentrum für nicht-heterosexuelle Lebensweisen?“

Rainer Bartel ist Sozialwissenschaftler an der Uni Linz und langjähriges Mitglied in Vorstand und Beratungsteam der HOSI Linz.
hosilinz.at

Foto: Privat

Otto Tremetzberger

„Ja, es wird einiges investiert und finanziert im Kulturland Oö. Allerdings stellt sich mir dabei die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.
Ein Beispiel: Das Land Oö hat 2013 den jährlichen Fixzuschuss für Landestheater, Musiktheater und Brucknerorchester um 20 % auf 37 Millionen € angehoben – valorisiert, wertgesichert und mit der Möglichkeit von «Sonderbudgets». Wenn es schon möglich ist, den laufenden Aufwand für den kulturellen Leuchtturm dieses Landes, noch dazu in Zeiten wie diesen, noch dazu ohne viel Aufsehen und Gesudere, also im Prinzip scheinbar «mir nix dir nix» und im Einvernehmen um 1/5 aufzustocken (ich weiß, andere wurden gekürzt) … sollte man da nicht auch den nichtinstitutionalisierten Bereich nach gefühlten 10, 15 Jahren Stagnation (und in der Regel realer Nichtwertanpassung) endlich einmal auch kräftig stärken – zum Beispiel mit einer zusätzlichen Million. Es ginge ja, wie man sieht.“

Otto Tremetzberger ist studierter Theaterwissenschafter, Autor und Geschäftsführer von dorf tv und Freies Radio Freistadt.
dorftv.at
frf.at

Foto: Armin Bardel

Ursula Kolar

„Die Förderpolitik des Landes setzt überwiegend auf Hochkultur, bzw. Repräsentationskultur. Es ist verwunderlich, welche Großprojekte und Kulturtempel in jüngerer Vergangenheit «heraus gestampft» wurden und noch werden. Die dadurch entstehenden hohen Ausgaben, beeinflussen die Kunstförderung unabhängiger Einrichtungen und Initiativen. Kleinere und Kleine werden zu Tode gespart. Kunst- und Kulturvielfalt erfahren somit erhebliche Restriktionen. Es stellt sich die Frage, ob das im Sinne einer zeitgenössischen Kulturentwicklung von Vorteil sein mag.
Eine wichtige kulturpolitische Zielsetzunge sollte «Geschlechterparität“ sein. Fassen wir die Geschehnisse in Bezug auf das Musiktheaters ins Auge, wo alle „Kunst am Bau-Projekte» ausschließlich an Männer* vergeben wurden, oder das Vorgehen bezüglich der Vergabe von Landeskulturpreisen, und vieles mehr, so gibt es hier noch viel zu tun.“

Ursula Kolar, Kunst- und Kulturarbeiter*in, Diplomierte Medienpädagog_in, seit 2008 Ko-Geschäftsführerin der Vernetzungsstelle für Frauen* in Kunst und Kultur in Oö – FIFTITU%.
fiftitu.at

Foto: Privat

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