Abseits vom Abseitigen

Richard Schachinger wollte wissen, warum beim KUPF Innovationstopf ein Projekt gewählt wird und warum nicht.

 

Kontroverse Diskussionen rund um das wohl wichtigste kulturpolitische Förderinstrument in OÖ haben beinahe schon einen Touch von Tradition.

Heuer sorgte die vorgegebene Thematik »Abseits« für Diskussionsstoff, weil unter anderem Projekte in Linz für eine Prämierung ausgeschlossen wurden. Inwieweit diese Regelung den abseitigen EinreicherInnenpool prägte, ob der Aufruf von Otto Tremetzberger »sich nicht vom Ausschreibungstext aus dem Konzept bringen zu lassen« gefruchtet hat und wie ein Projekteinreicher die Jurysitzung erlebte, beschreibt der nachfolgende Text.

Das Transpublic in der Linzer Altstadt diente am 26. und 27. März als Schauplatz für die öffentliche Jurysitzung zum KUPF Innovationstopf 2009 (IT). Die Aufgabenstellung an diesen beiden Tagen war klar, wenngleich sie für die Jurymitglieder kein einfaches Unterfangen darstellte: aus den insgesamt 48 EinreicherInnen sollten Projekte mit einer Gesamtfördersumme von 90000 Euro prämiert werden. Unter den eingereichten Anträgen befand sich erstmalig auch einer vom Freiwerk, also jener Kulturinitiative (KI), bei der ich aktiv bin. Demnach lag es mir fern, einen intersubjektiven Bericht über das Geschehene zur formulieren – zumal ich bei der Jurysitzung selbst noch nicht über diese Artikelanfrage Bescheid wusste. Dafür kann eine Perspektive ins Treffen geführt werden, die sich primär durch das kritische Bangen um den eigenen Projektantrag charakterisiert.

Grundlegend für einen IT erscheint mir neben der jeweiligen Themensetzung die damit verbundene Frage, inwieweit KIs Ressourcen für konkrete Projektarbeiten freischaufeln können oder teilweise aufgrund finanzieller Engpässe müssen – insbesondere im Hinblick auf die erhofften Früchte ihrer Einreichung. Übersetzt für den heurigen IT lautete daher für mich die Frage: orteten KIs aus OÖ eine größere Chance auf den goldenen Topf als sonst, weil Linz ins »Abseits« gerückt wurde? Offensichtlich ja. Denn erstens war der IT Infoabend für Interessierte so gut besucht wie selten zuvor. Und zweitens spricht der Vergleich von Antragszahlen aus den Jahren 2008 und 2009 für sich: die Projekte aus dem OÖ Raum ohne Linz haben sich mehr als VERZEHNFACHT!

Mit diesem Hintergrund erwartete ich mit Spannung die öffentliche Jurysitzung, weswegen eine Anwesenheit vor Ort für mich eine Selbstverständlichkeit darstellte: Ich wollte wissen, welche Prozesse hier durchlaufen werden, welche Argumente ziehen und schließlich: warum ein Projekt gewählt wird oder eben nicht. Erkenntnisgewinn also, gekoppelt mit der Möglichkeit, andere Ideen kennenzulernen. Darum war ich gleich zu Beginn am ersten Jurytag überrascht, dass die rund zehn Stühle für das Publikum gar so gelichtet waren. Später fand ein regeres Kommen und Gehen statt, was – wie ich später erfuhr – insgesamt eine der besten BesucherInnenanzahl überhaupt darstellte. Eine zweite Überraschung erforderte von Seiten der IT Projektbetreuung eine entsprechende Adaption des Punkteprocedere: ein Jurymitglied war kurzfristig verhindert. Ergo: vier statt fünf JurorInnen und die Hoffnung auf keine Pattsituationen.

In der Einleitungsrunde stellten die Jurymitglieder ihren jeweiligen kulturpolitischen Background dar und formulierten ihre persönlichen Beurteilungskriterien neben jenen des ITs. Die erste Ausscheidungsrunde mit dem Schwerpunkt auf die Kriterienerfüllung erinnerte etwas an das antike Rom und dem folgeträchtigen Zeigen des Daumens: rauf, vielleicht oder unter. Allgemeine Zielbestimmung: die Spreu vom Weizen trennen. Und das ging mittels Punktevergabe relativ flott vor sich, insbesondere weil sich die Jury tendenziell im Bejahen oder Verneinen einig war. Summa summarum kam der erste Abend einem gruppendynamischen Aufwärmen gleich.

Der zweite und finale Tag stand ganz im Zeichen des gelebten und stundenlangen Diskurses, der mit fortlaufender Zeit die Konzentrationskraft der Jurymitglieder gehörig forderte. Jeder Projektantrag wurde auf die formulierten Kriterien abgeklopft, die sich neben dem Ausschreibungsthema beispielsweise in den Fragen nach der Originalität, der Nachhaltigkeit, der politischen Reflexion oder des kulturpolitischen Kontextes manifestierten. Der Auswahlprozess erwies sich erwartungsgemäß bedeutend schwieriger, bis er am Nachmittag ins Stocken geriet. Folglich entschied sich die Jury die Projektliste chronologisch durchzugehen, um die noch im Rennen liegenden Projekte im Hinblick auf die zu erzielende Förderobergrenze auszulesen. An diesem Punkt rutschte die Argumentationsbasis sehr zur Überraschung der Anwesenden ein Stück ins Abseits. Das Ziel vor Augen löste offensichtlich einen Beschleunigungsprozess aus, dessen Entscheidungsgrundlage tendenziell abseits bisheriger Überlegungen stattfand. Schließlich blieben elf Projekte über, die zur Förderung durch das Land OÖ von der Jury vorgeschlagen wurden.

Das vom Freiwerk eingereichte Projekt wurde prämiert, obwohl es von Anfang an innerhalb der Jury polarisierte und mehrmals kurz vor dem Gekickt werden stand.

Richard Schachinger ist freier Kulturtäter und Medienaktivist aus Vöcklabruck.

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