Stop/Rewind + Mixdown

Pamela Neuwirth nimmt die Strategien der Linz09-Verantwortlichen unter die Lupe.

 

Als ich im Frühjahr 08 den oberösterreichischen Autor Rudolf Habringer auf der Buchmesse Leipzig zum Interview traf, fanden wir uns in einem schicken Linz09-Café wieder und waren doch perplex: das Café sollte als Rahmen für Lesungen der AutorInnen fungieren; neugierig studierten wir den Linz09-Katalog, was denn Linz09 bislang mit Literatur zu tun hätte? Wirklich fündig wurden wir nicht – seltsam damals, das Linz09-Café in Leipzig. Literatur findet sich zwar mittlerweile im Programm, es sind die großen Namen, mit denen Literatur beworben wird: Stifter, Bernhard und zugkräftige, zeitgenössische AutorInnen.

Stop/Rewind Nicht unspannend ist, die Strategien der Linz09-Verantwortlichen unter die Lupe zu nehmen. Egal, wie unterschiedlich die Erfahrungen der betroffenen (weil abgelehnten?) ProjektanträgerInnen verlaufen sind, die meisten finden den kleinsten gemeinsamen Nenner im Stop/Rewind-Verfahren. Stop/Rewind ist eine über die Jahre äußerst zäh verlaufende Verhandlungspraxis, die mehr einer betulichen Beschäftigungstherapie gleicht. Therapie für Kulturschaffende, eben. Manche der Verhandlungen mit Linz09 entsprachen einer »Blitz-Therapie«, wieder andere zogen sich derart in die Länge, dass als Analogie dafür gut und gerne die »Analyse« bemüht werden kann. Stop/Rewind hat derart viele Projektanträge betroffen und dabei spielte es eine untergeordnete Rolle, ob es sich um Einreichungen mehr kommerzieller Projekte, oder um sophisticated Kunst handelte. Einige Fallbeispiele sind wert, erwähnt zu werden, da sie – und das ist der wesentliche Punkt – illustrieren, wie Geld, Ressourcen, Ideen und Personen nicht nur das eigentliche Warm Up des Linz09-Projektes ermöglichten, sondern auch den Zugang zu Think Tanks. Eines der ersten Projekte auf der Linz09-Homepage war (nebst »Twixtville «) »Subdanubia«, ein multifunktionales, kommerzielles Badeschiff am Donaustrand. Linz09 reagierte auf die Einreichung euphorisch: Klasse, Burschen! Nochmal überarbeiten. Linz09 reist mit euch nach Berlin (dort gibt es auch Badeschiffe?), Besuch in der Oper, laßt euch inspirieren! Nach der sicher vergnüglichen Berlinreise und zwei weniger vergnüglichen Jahren der »Überarbeitungsphase« kam es nach vielen Rewinds unspektakulär zum Stop. »Linz in Torten« von MAIZ erzählt eine ähnliche Geschichte, wobei rechtliche Implikationen einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen haben und sich zeigt, dass das Stop-Rewind-Verfahren nicht integer ist, weil knappe Ressourcen von KulturarbeiterInnen für die Linz09-Sache instrumentalisiert worden sind; sie funktionieren quasi als VorarbeiterInnen im hierarchischen Unternehmenssystem, das Kulturevents produzieren will.

Mixdown Man kann, muss nicht Luhmann bemühen, um zu verdeutlichen, dass sich Wirtschaftssysteme an der Differenz zahlungsfähig/zahlungsunfähig orientieren, d.h. es geht hier weniger um die Kultur selbst, sondern darum, sie als Ware in einem wirtschaftlichen System zu veräußern. Lobbying. Der Bauboom ist ein weiteres, unüberhörbares Indiz des wirtschaftlichen Korpus, an dem sich Linz09 grundlegend orientiert. Und Wirtschaft funktioniert über Profit. Das (persönliche) Scheitern von künstlerischen Ambitionen darf hier im Grunde nicht verwundern. Als außenstehende Beobachterin ist die Maschinerie »Kunst/Kultur als Wirtschaftsfaktor« durchaus interessant, speziell dann, wenn Linz09 selbst versucht, kreativ zu sein. Seltsame Blüten treiben aus, wenn kulturbeflissene Linz09-Unternehmer nach Wegen suchen, um Ressourcen zu ergattern. Die Aussiedlung des Theater-Ensembles nach Afrika ist eine solche Blüte. Unschön und schief-optisch zeigen sich auch die Verflechtungen, die sich mit Heller Enterprises ergeben. Ein Intendant, der von der Stadt Linz engagiert wurde und zusätzlich mit seiner Firma an Linz09-Geschäften beteiligt ist? Argumentiert werden solche »Zusammenhänge « immer irgendwie; zumindest wird ein weiteres Mal augenscheinlich, dass hier Profit-Verteilung wirkt und weniger »Kunst und Kultur« das Thema sind. K&K sind die Fahnen, die die ProjektanträgerInnen seit Jahren geduldig schwingen und die sich Linz09 anheftet, oder auch nicht.

Anfang 2009 wird ein Gegen-Katalog erscheinen, der abgelehnte Projekte von jenen präsentiert, die »es nicht geschafft haben«. Nicht wider Erwarten, aber zu befürchten bleibt, dass sich Linz09 als kreuzbrave Inszenierung gutbürgerlicher Kultur entpuppen wird, da schon das bloße Wort »subversiv« vermutlich nur einmal auftauchen wird, nämlich dann, wenn die »Subversiv Messe« eröffnet.

Pamela Neuwirth ist Soziologin und freie Redakteurin. Sie lebt und arbeitet in Linz.

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