Eine Frage der Ehre

Eine Frage im Voraus: Was ist das Wesen der Jugendkultur überhaupt? Was ist es, das die kulturellen Vorstellungen und Vorhaben Jugendlicher von denen Erwachsener unterscheidet?

 

von Klaus Nowotny

Ist es der Inhalt der Veranstaltungen? Wohl kaum, denn vielen Projekten des Innovationstopfes konnte man ihren sozialkritischen Charakter klar entnehmen. Oder ist genau das Gegenstand der Jugendkultur, sich mit seiner Umwelt kritisch und dennoch kreativ auseinanderzusetzen? Ist es die Art der Umsetzung, die Projekten von Jugendlichen so besonders macht? Wohl auch nicht, denn bei vielen Projekten waren die Aufgaben klar verteilt, man zog sozusagen „an einem Strang“, wie dies auch bei Erwachsenen der Fall sein sollte. Oder ist es die Unbekümmertheit, mit der Jugendliche an ihren Vorstellungen arbeiteten? Schon eher, da Jugendliche noch nicht so stark dem Druck des „Erwachsen sein“, des „Erfolg haben“ und des „für etwas Verantwortung tragen“ unterliegen. Aus meiner durchaus noch jugendlichen Sicht der Dinge ist wohl der schwerwiegendste Grund dafür, daß Jugendkultur und jene der Erwachsenen selten in einem Atemzug genannt werden der, daß die Jugendkultur einfach von Jugendlichen gemacht wird und man generell dazu neigt, die Ideen Jugendlicher zu belächeln und sie mit einem „Ach, wie nett!“ und „Oh, wie engagiert!“ auf die Stellung jener, die „von nichts eine Ahnung haben“ herabzusetzen.

Daß dies jedoch der grundfalsche Weg ist, sei vorweggenommen. Es ist zu beachten, daß es wichtig und an der Zeit ist, sich der Jugend zu widmen. Dies sollte jedoch nicht nur durch die Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahmen für Lehrlinge (was ohne Zweifel ebenfalls ein sehr wichtiges Thema ist), sondern auch dadurch geschehen, daß die kulturellen Vorstellungen Jugendlicher unterstützt werden müssen. Die Jugendkultur mit all ihren Strömungen und Ideen sollte anerkannt neben der sogenannten „Hochkultur“ zum allgemeinen Interesse geraten. Die Jugendlichen von heute sind die Erwachsenen von morgen, aber immer öfter wird nach dem Prinzip „nach uns die Sintflut“ den Jugendlichen die Möglichkeit verwehrt, sich persönlich frei zu entfalten und ihre Ideen umzusetzen. Ein Gremium, um Jugendlichen das größte Anlaufproblem für ihre eigenen und eigenständigen Kulturprojekte, die Frage nach der Finanzierbarkeit, dem lieben Geld, zu erleichtern, war der KUPF Innovationstopf für Jugendliche „Du kunzt“.

Die nun vorliegende Analyse beschäftigt sich mit Fragen, die nicht nur für den vorliegenden Fall eines Innovationstopfes gültig sind, sondern generell auf die Jugendkulturarbeit umgelegt werden können. Nach dem ersten Teil der Analyse, der eine Chronik des Innovationstopfes darstellt und von seiner Entstehung, den Zielen, der Finanzierung etc. berichtet, befaßt sich der zweite Teil mit den Projekten selbst: diese werden einzeln kurz vorgestellt und die Begründung über ihre Annahme/Ablehnung sowie die finanzielle Unterstützung erörtert. Weiters finden sich im zweiten Teil Informationen über die Jury und ihre Zusammensetzung sowie über die geographische Verteilung der zur Auswahl eingereichten Projekte und detaillierte Graphiken über die Zusammensetzung und Verteilung der bei den Projekten mitarbeitenden Jugendlichen nach dem Alter.

Ebenfalls für Außenstehende interessant gestaltet sich der dritte Teil der Analyse: Hier wurde der Innovationstopf nach verschiedenen Kriterien untersucht und die Ergebnisse von Interviews mit Projektmitarbeitern, Projektbetreuern und Vertretern passiv am Innovationstopf Beteiligter ausgewertet und in eine problemorientierte Form gebracht. Es handelt sich hierbei um Kapitel, die Fragen wie „Wie kamen die Projekte zustande?“ und „Welche Rolle spielten die Erwachsenen?“ und vieles mehr im Hinblick auf den Innovationstopf für Jugendliche zu beantworten versuchten. Weiters wichtige Fragen, auf die hier Antworten angeboten werden, sind die Fragen danach, wie man Jugendliche erreichen kann, welche Probleme bei der Arbeit im Jugendkultursektor auftauchen könnten und wie bzw. über welche Institutionen Jugendliche erreicht werden können.

Der wichtigste Teil jedoch ist der Vierte, der Tips und Anregungen zum Umgang mit Jugendkulturarbeit liefern soll. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Frage nach einem allgemeingültigen Patentrezept für die erfolgreiche Arbeit im Jugendkultursektor, die sich wie die Suche nach einem ungeheuren Fabelwesen wie dem Yeti beschreiben läßt, was der Analyse dann auch den Namen „Gibt’s den Yeti wirklich?“ einbrachte. Diese Frage war mir, als Autor der Studie, ein besonderes Anliegen und verfolgte mich durch die ganze Zeit des Schreibens. So viel sei verraten: Eine genaue Beschreibung kann man zwar auch dieser Analyse und den vielen Interviews nicht entlocken, die Umrisse seien jedoch zu erkennen. Das zweite Kapitel beschäftigt sich nochmals mit dem Innovationstopf selbst. Als erklärtes Ziel der Analyse sollte die verstärkte Förderung von Jugendkulturprojekten von seiten der öffentlichen Hand sein bzw. sollte die Förderung dieser Projekte zu einer Selbstverständlichkeit werden oder, doch hier pfeifen wir wohl Zukunftsmusik, eine eigene Stelle für die Förderung von Jugendkulturprojekten eingerichtet werden. In diesem zweiten Kapitel werden Pro und Contra für beide Formen der Jugendkulturunterstützung, die Form eines Innovationstopfes und die einer Förder- und Beratungsstelle für Jugendprojekte gegeneinander aufgewogen. Das dritte Kapitel formuliert Tips im Umgang mit Jugendkultur(arbeit), die sich aus der Analyse ergeben haben und für jene hilfreich sein können, die sich mit Jugendkulturarbeit beschäftigen bzw. beschäftigen wollen.

Der Grundtenor der Analyse und des Innovationstopfes überhaupt ist, daß ein Handlungsbedarf in diese Richtung existiert. Es zeigt, entgegen der weitläufigen Meinung, daß Jugendliche sehr wohl imstande sind, eigenständig Projekte durchzuführen. Doch meist scheitern diese Vorhaben, wenn sie nicht unter Anleitung von Erwachsenen (zum Beispiel in der Schule) oder in Kulturvereinen selbst realisiert werden, an gewissen Punkten. Viele Projekte scheitern an der zu geringen Kenntnis über Probleme wie jene der Budgetgestaltung oder der konstanten Arbeit an einem gemeinsamen Ziel, scheitern also daran, daß viele Dinge nicht berücksichtigt wurden, die die finanzielle bzw. die organisatorische Seite betreffen. Ein weiterer Punkt, an dem die Jugendlichen oft scheitern ist das Problem, von Erwachsenen nicht ernst genommen zu werden, die künstlerische Begabungen und Ambitionen als „Kindereien“ abtun und es so versäumen, den aufstrebenden Passionen der Jugend den gebührenden Rahmen und die geforderte Anerkennung zuzusprechen.

Es bedarf also auch einer toleranten Gesellschaft und eines toleranten Miteinander, um der „Zukunft“ (den Jugendlichen) nicht den Weg zu versperren und diese dann, in Anbetracht ihrer organisatorischen Ohnmacht, konstruktive Gedanken und Ideen in destruktives Konsumverhalten umwandelt. Oft beklagt man sich, daß die Jugendlichen „verdrossen“ sind, in welchem Sinne auch immer, und betrachtet nicht die Ursachen für dieses Verhalten. Man kann einerseits darüber lamentieren, daß die Jugend von heute nicht sehr ambitioniert ist und sich weder besonders für Politik noch für zeitgenössische Kultur interessiert, muß sich dann aber auch Gedanken darüber machen, wie die Rahmenbedingungen für diese Gruppe der Gesellschaft aussehen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwierig es sein kann, von der öffentlichen Hand finanzielle Unterstützung für ein Projekt zu erlangen oder eine einfache Veranstaltungsgenehmigung zu erlangen: man gerät von einer Abteilung in die nächste, keiner fühlt sich für einen zuständig und am Schluß ist man wieder in jenem Zimmer, das man zu allererst betrat und wird mit einem Ausdruck von „du schon wieder“ begrüßt. Und, seien wir uns einmal ehrlich, welcher 15- oder 16jährige würde nicht ob dieses „Spießrutenlaufes“ durch die Behörden und Institutionen verzweifeln?

Abschließend kann, oder besser MUSS man sagen, daß es not tut, den „Geist des Innovationstopfes“ in die zukünftige Kulturpolitik und -planung miteinzubeziehen. Man kann nie früh genug beginnen, Jugendlichen die eigenständige Kulturarbeit näher zu bringen und das ungeheure kreative Potential in ihnen zu fördern; es kann aber einmal dafür zu spät sein. Denn bei den Jugendlichen handelt es sich um Menschen, deren Ideen und Vorhaben genauso respektiert, honoriert und unterstützt werden sollten wie jene von Erwachsenen. Denn die Frage nach der Unterstützung jugendlicher Kreativität sollte nicht nur eine „Frage der Ehre“ sein, sondern als eine gemeinhin akzeptierte Notwendigkeit gelten.

 

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