Eine Verschwörung der Medien?

Kritik an der Arbeit der Medien hat es immer gegeben, doch zuletzt wird der Ton von rechts gegen Journalist*innen schärfer. Welche Kritik an Medien ist legitim, und wo ist die Grenze zur Hetze erreicht? Von Alexander Fanta.

Wahlkämpfe sind Zeiten der verschärften politischen Konfrontation. In dieser Auseinandersetzung geraten die Medien als teilnehmende Beobachter in die Schusslinie. Kritik aus der Politik an der medialen Berichterstattung hat es immer gegeben. Doch neu ist der Versuch, besonders von rechter Seite, „die Medien“ pauschal als feindlichen Akteur zu diffamieren. Oder, in den Worten von FPÖ-Chef Herbert Kickl: „Die einen lügen wie gedruckt, die anderen drucken das Gelogene.“

Die potenzielle Breitenwirksamkeit solcher Attacken wird mit Blick auf Meinungsumfragen offenkundig. Nur rund die Hälfte der Menschen in Österreich vertraut auf eine faire und korrekte innenpolitische Berichterstattung durch etablierte Nachrichtenmedien, ergab eine Befragung des Gallup-Instituts und des Medienhaus Wien im Vor jahr. Auch laut dem APA-OGM-Vertrauensindex vom Herbst 2023 ist der Vertrauenssaldo klassischer redaktioneller Medien klar negativ.

Der rechte Angriff auf die „Mainstream-Medien“ klingt wie ein verzerrtes Echo auf die Medienkritik, die mit der 1968er-Bewegung unter Linken populär wurde. Als Versuch der Schaffung einer Gegenöffentlichkeit zum reaktionären Mainstream steht die Gründung der tageszeitung 1978 emblematisch für diese Kritik. Die taz gibt es bis heute, gleichwohl sie längst etablierter Teil der deutschen Medienlandschaft ist.

Die Kritik der Rechten am „Mainstream“ ähnelt linken Positionen nur entfernt. Dennoch erscheint die Frage interessant, was rechte und linke Medienkritik unterscheidet. Oder, anders gefragt: Welche Form von Medienkritik ist produktiv, und wo verläuft die Grenze zur Verschwörungserzählung?

Verschörungsmythen um „linke Eliten“
Kernelement der rechten Medienkritik ist die Behauptung, die „Mainstream-Medien“ wären von linken Eliten kontrolliert. Diese hätten sich verschworen, um politisch unliebsame Fakten – etwa über Migration oder die Bekämpfung der Covid-Pandemie – zu verschweigen. 

Beweise dafür gibt es keine. Zudem wirft die Behauptung logische Lücken auf: Warum sollten etwa Medien wie Kurier, Falter, oder Salzburger Nachrichten, die um Leser*innen und Werbeanzeigen konkurrieren, heimlich ihre Inhalte absprechen? Ignoriert wird von den Rechten dabei überdies deren innere Pluralität: Selbst in Medien, die auf eine bestimmte Blattlinie festgelegt sind, haben einzelne Journalist*innen meist viel Spielraum bei der Gestaltung der Inhalte.

Während der rechte Mythos einer Verschwörung der Medien bekämpft werden sollte, ist die Kritik an der geringen Diversität vieler Nachrichtenredaktionen und der Herdenmentalität ihrer Journalist*innen legitim. Im Journalismus reproduziert sich vielfach eine soziale Klasse: Akademiker*innen aus gutem Elternhaus, die bei der Themensetzung ihren eigenen Sorgen und Anliegen widerspiegeln. Ebenso legitim ist es, die Eigentumsverhältnisse von Medien und den Einfluss dieser Eigentümer*innen auf die Blattlinie zu hinterfragen. Die Grenze zur Verschwörung ist dort überschritten, wo Gefühle zu Annahmen werden, und Annahmen zu Tatsachen.

Ähnliche Mechanismen wirken bei einem der Lieblingsziele der Rechten, dem ORF. Diesen attackiert Kickl als „Propagandamedium der Regierung“. Dabei wehrten Journalist*innen im ORF in den vergangenen Jahren erfolgreich Versuche der Regierung ab, in ihre Berichterstattung einzugreifen. Darunter auch solche, die vom damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache ausgingen, wie unlängst bekanntgewordene Chats verdeutlichen.

Überhaupt ist politische Einflussnahme auf den ORF deshalb so einfach, weil die Politik viele der Sitze in den Sendergremien besetzen kann – eine Schieflage, deren Korrektur der Verfassungsgerichtshof in einem Urteil im vergangenen Herbst angeordnet hat. Doch für eine echte Entpolitisierung des ORF hat sich die FPÖ während ihren bisherigen Regierungsbeteiligungen nicht eingesetzt. Zu bequem ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk – er dient zugleich als Interventionsfeld und Feindbild.

Rechte Gegenöffentlichkeit
Statt sich mit den Recherchen unabhängiger Journalist*innen auseinandersetzen zu müssen, hat die FPÖ – ebenso wie andere rechte Parteien in Europa – ein Umfeld gewogener Medien aufgebaut. Dazu zählen Parteikanäle wie FPÖ TV, aber auch Rechtsaußen-Medien wie Wochenblick, unzensuriert, Info-DIREKT und Alles Roger. Gemeinsam ist diesen Nachrichtenportalen, dass sie kaum Quellen ausweisen und Berichte auf vage oder dubiose Angaben stützen. Den Ehrenkodex der österreichischen Presse, der tatsachengetreue und unabhängige Berichterstattung vorschreibt, lehnen die genannten rechten Medien ab.

Dabei liefern der Ehrenkodex und die auf Ihnen fußenden Entscheidungen des österreichischen Presserates, der von Journalist*innen besetzt ist, ein gutes Richtmaß für angemessene Medienkritik. Ein Paradebeispiel ist die Entscheidung des Presserates im Fall der Standard-Berichterstattung zu Lena Schilling. Die Zeitung hatte als erste über Vorwürfe berichtet, laut denen die Spitzenkandidatin der Grünen bei der EU-Wahl Lügen über Andere verbreitet hätte. Daraufhin wurden Vorwürfe laut, der Standard fahre eine „Hetzkampagne“ gegen die junge Grüne.

Dem trat der Presserat entgegen, wies aber zugleich auf die Verantwortung der Presse hin. Die Berichterstattung des Standard über die schwerwiegenden Vorwürfe gegen Schilling sei grundsätzlich zulässig, obwohl sie den privaten Lebensbereich beträfen, da Charakterfragen für die Beurteilung politischen Handelns bedeutend seien. Doch kritisierte die Entscheidung die Verwendung anonymer Zitate, die den Charakter Schilllings in ein negatives Licht rückten, ohne überprüfbare Behauptungen aufzustellen. Die Entscheidung räumt also der Presse zugleich große Freiheit in der Berichterstattung ein, mahnt aber auch zum verantwortungsvollen Umgang damit.

Der rechten Medienkritik lässt sich durch Institutionen wie dem Presserat oder dem Medienwatchblog Kobuk ein demokratisches Gegenbeispiel entgegensetzen: Eine Kritik, die Motive hinterfragt, Quellen überprüft und Genauigkeit einfordert. Eine solche Medienkritik ist eine demokratische Grundaufgabe.

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