Minidramenkolumne von Tamara Imlinger, mit Illustration von Theresia Emm.
Auf der Bühne: A, B, ein Stuhl
A Wieder nur ein Stuhl!
B Das sagst du jedes Mal.
A Stimmt doch gar nicht.
B Mir kommt das sehr bekannt vor.
A Und wenn schon.
(Kurze Stille)
B Wiederholungen klingen aber eh auch gut.
(Kurze Stille)
B Man kann Rhythmen damit bauen.
(Kurze Stille)
B Sie können helfen, dass wir Dinge besser verstehen.
(Kurze Stille)
A Aber wir müssen uns auch auf Neues einlassen.
B Stimmt, aber nur weil wir etwas einmal hören –
(A nickt.)
B heißt das ja nicht gleich, dass wir es verstehen.
A (zeigt auf den Stuhl) Wir könnten ihm die Bühne überlassen.
B Denkst du, es ist jedes Mal ein anderer Stuhl?
A Manchmal kann er sprechen.
(Die beiden schauen den Stuhl an.)
A Vielleicht kann er immer sprechen, will aber nicht.
B (zum Stuhl) Jetzt sag doch etwas!
A Lass ihn, wenn er nicht will.
(Kurze Stille)
A Er sieht jedes Mal ein wenig anders aus.
(Kurze Stille)
B Wir aber auch.
(A nickt.)
B Erinnerst du dich, als er durch den Saal nach draußen gelaufen ist?
A Ich weiß nicht mehr genau.
B Du hast sicher begonnen mit: „Wieder nur ein Stuhl.“
A Eigentlich ist das gar nicht nett, wenn wir so über ihn reden.
(Kurze Stille)
A Vielleicht will er selbst in Zukunft den ersten Satz sagen.
(Kurze Stille)
A Aber nicht, dass er uns ersetzt.
(A und B schauen wieder zum Stuhl, der still bleibt.)