Was bewirkt der Kulturbeirat? Was beschäftigt den OÖ Landeskulturbeirat zurzeit? Christine Haiden zieht nach zwei Jahren als Vorsitzende Bilanz: Über Hürden, Handlungsbedarf – und Kultur als demokratische Aufgabe.
Thomas Diesenreiter: Wie viel Einfluss hat der Landeskulturbeirat auf die Politik in Oberösterreich?
Christine Haiden: Das hängt davon ab, was man unter Politik versteht. Ich finde, der Landeskulturbeirat hat durchaus politischen Einfluss – da sich viele engagierte Menschen aus unterschiedlichen Bereichen des oberösterreichischen Kulturlebens einbringen. In den letzten zwei Jahren haben sich viele rege Diskussionen in den Fachbeiräten entwickelt. Im vergangenen Jahr haben wir zum ersten Mal auf der Ebene des Vorschlagswesens konkrete Ideen eingebracht – einige davon wurden bereits berücksichtigt. Z.B. im Bereich der Bildenden Kunst wurde etwa das Ankaufsbudget erhöht und die Kriterien dafür überarbeitet. Auch das Filmförderbudget ist gestiegen, zusätzlich entsteht eine neue Beratungsstelle. In den Bezirken Steyr und Kirchdorf wird gerade ein regionales Projekt zur Kulturvernetzung aufgebaut. Das sind erste Schritte – wir sind also dabei, uns nach und nach Einfluss zu erarbeiten.
An welchen Themen arbeitet der Landeskulturbeirat derzeit konkret?
Wir arbeiten dezentral – die Inhalte entstehen in den einzelnen Fachbeiräten. Aktuell befinden wir uns in einer Vorbereitungsphase: Die Fachbeiräte erarbeiten konkrete Fragestellungen, aus denen Empfehlungen für das Plenum und schließlich für das Land entstehen. Ein wichtiges Thema betrifft die Abgangsgemeinden, also Gemeinden mit sehr angespannten Budgets. Wir möchten Kulturarbeit auch dort absichern. Ein Vorschlag ist in Ausarbeitung.
Ein anderes Thema ist die Baukultur, also Kunst am Bau bzw. im öffentlichen Raum: Ein Ziel dabei wäre, dass Kunst am Bau nicht als Add-on verstanden wird, das abgearbeitet werden muss, sondern dass sie einen Raum aufwertet und auch für Kommunen und Bauträger*innen interessant wird.
Zu den Abgangsgemeinden: Mittlerweile ist fast die Hälfte aller Gemeinden Oberösterreichs betroffen, zunehmend auch größere. Was kann das Land tun, um die Kulturarbeit in diesen Gemeinden zu sichern?
Das beschäftigt uns gerade intensiv. Es gibt Überlegungen – zum Beispiel, ob das Land einspringen soll oder ob man Kulturförderungen aus den Ermessungsausgaben ausnehmen kann. Aber das ist derzeit noch im Prozess – wir haben noch keine finale Position dazu ausgearbeitet.
Das Kulturbudget wurde zwar erhöht, gleichzeitig sind zehn Prozent der Ermessensausgaben derzeit durch eine Kreditsperre blockiert. Das betrifft sowohl die freie Szene, Volkskultur oder Blasmusik. Gibt es dazu schon eine Haltung des Beirats?
Das Thema wurde in den Fachbeiräten bisher noch nicht behandelt. Ich werde mich darum kümmern, dass wir uns das genauer ansehen.
In Oberösterreich scheint Kulturpolitik – abgesehen von den Skandalen der letzten Jahre – wenig mediale Reichweite zu bekommen. Hat sich Kulturpolitik zu einem Nischenthema entwickelt?
Das ist für mich schwer einzuschätzen, da mein Arbeitsfeld bis vor zwei Jahren nicht in der Kulturpolitik lag. In Oberösterreich gab es in den vergangenen Jahrzehnten eine rege Bautätigkeit im Kulturbereich, die sich deutlich in der öffentlichen Wahrnehmung niedergeschlagen hat. In den letzten Jahren war das nicht mehr der Fall – mit dem Ende der Landesausstellungen und dem Ausbleiben großer Neubauten ist ein wichtiges Aufmerksamkeitsthema weggefallen.
In meiner Wahrnehmung gibt es in Oberösterreich einige große „Tanker“, die medial präsent sind. Es existiert aber auch eine sehr regionale, kleinteilige Kulturszene – was ich grundsätzlich positiv sehe, weil Breite und Vielfalt aus meinem demokratiepolitischen Verständnis heraus essentiell sind.
Aus journalistischer Perspektive ist es jedoch so, dass sich kleinere, breit aufgestellte Strukturen medial schwerer durchsetzen. Auch die Zahl der Medien, die über Kultur berichten, ist rückläufig, ebenso wie die Zahl der Redakteur*innen. Auch damit haben wir uns im Landeskulturbeirat beschäftigt.
Wir sehen hier eine problematische Entwicklung, und bislang ist uns im Landeskulturbeirat noch kein überzeugender Vorschlag eingefallen, wie wir diesem Rückgang im Bereich des Kulturjournalismus entgegenwirken könnten.
Was ebenfalls angesprochen werden muss: Das kulturpolitische Interesse, das die Parteien derzeit signalisieren, ist eher überschaubar. Daher hatten wir für Ende Mai alle Kultursprecher*innen der Landtagsparteien zu uns eingeladen, um mit ihnen über ihr kulturpolitisches Engagement und ihre Vorhaben ins Gespräch zu kommen.
Es ist deutlich spürbar, dass Kultur auf der politischen Agenda des Landes nicht an oberster Stelle steht.
Im Landesstudio OÖ des ORF gibt es nur noch eine 20-Stunden-Stelle für Kulturredaktion. Erfüllt der ORF seinen Kulturauftrag?
Das fällt mir schwer zu beurteilen, weil ich mir das in dieser Form nicht im Detail angesehen habe. Das Thema kam aber auch im Presseclub zur Sprache. Die Rückmeldung war, dass sich die Ressortstrukturen verändert hätten – und nun alle Redakteur*innen kulturrelevante Inhalte mitbearbeiten. Der ORF hat erklärt, dass er durch Sparmaßnahmen stark eingeschränkt ist.
Speziell im Kulturbereich gab es früher viele freie Redakteur*innen, die Inhalte geliefert und Sendungen damit versorgt haben. Dieses System wurde abgeschafft. Für ein Bundesland wie Oberösterreich, finde ich, ist die geringe mediale Präsenz von Kultur wirklich problematisch – inhaltlich und quantitativ. Kultur braucht ein Echo – sie wirkt nur, wenn sie auch wahrgenommen wird. Das betrifft nicht nur den ORF, sondern alle Medien. Gleichzeitig ist der Medienmarkt in einem tiefgreifenden Wandel – Werbegelder fließen immer mehr in digitale, oft kostenlose Plattformen. Wie man in diesem Umfeld Kulturjournalismus wieder stärken kann, bleibt offen – vielleicht durch Stipendien, gezielte Ausbildung oder andere Fördermaßnahmen. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass man Menschen bezahlt, damit sie diese Arbeit tun.
Das Kulturleitbild des Landes aus 2020 umfasst 13 inhaltliche Seiten, enthält aber kaum konkrete Maßnahmen. Diese sollten noch erstellt werden – bislang ist das aber nicht passiert. Spielt das Leitbild im Landeskulturbeirat überhaupt noch eine Rolle?
Den Landeskulturbeirat beschäftigt das Kulturleitbild durchaus – und zwar insofern, als angedacht ist, es zu evaluieren. Als ich meine Tätigkeit im Beirat aufgenommen habe, habe ich jedoch angeregt, nicht sofort mit einer Evaluierung zu starten. Stattdessen wollten wir zunächst eruieren, welche Themen aus dem Kreis der Mitglieder kommen und welche davon wir als besonders dringlich erachten.
Unserer Wahrnehmung nach ist dieses Kulturleitbild in den Kommunen nicht angekommen. Wahrscheinlich liegt das u.a. auch daran, dass der oberösterreichische Kulturraum sehr kleinteilig und regional geprägt ist – gerade dort ist es besonders wichtig, Multiplikator*innen zu gewinnen, um eine Grundlage für Akzeptanz und Umsetzung von kulturpolitischen Maßnahmen zu schaffen.
Wir sehen es – auch wenn wir uns dazu bislang nicht ausdrücklich geäußert haben – als Manko, dass das Kulturleitbild nicht stärker implementiert wurde.
In Oberösterreich gibt es dadurch auch keinen Kulturentwicklungsplan, der eigentlich eine logische Weiterentwicklung eines Leitbildes wäre – also ein Instrument, das klärt, wie dessen Inhalte konkret umgesetzt werden sollen. Ich selbst bin derzeit in die Entwicklung des Linzer Kulturentwicklungsplans eingebunden und sehe dort, wie man diesen Prozess gestalten kann.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Kulturlandes Oberösterreich?
Ich wünsche mir, dass Kulturpolitik stärker akzentuiert wird – und dass der kulturpolitische Wille sichtbarer wird. Wir stehen gesellschaftlich vor großen Herausforderungen: Unsere Demokratie ist unter Druck – in den Regionen, im Land, in Europa. Und um eine offene Gesellschaft zu bewahren, braucht es Kultur. Kultur ist ein konstitutiver Bestandteil dieser Offenheit. Sie ermöglicht Reflexion, Teilhabe, Dialog. Deshalb braucht es Räume, in denen Kultur wirken kann – strukturell abgesichert, langfristig gedacht und politisch gewollt.