Next step Digitalradio?

Ein Gespenst geht um in Österreichs Hörfunklandschaft: Digital Audio Broadcasting, kurz DAB+. Ein Einblick von Otto Tremetzberger und Mike Schedlberger.

Radio empfangen
Genau wie UKW-Radio, Ultrakurzwellen-Rundfunk, wird auch DAB+, Digital Audio Broadcasting, über Antenne verbreitet und empfangen. Die meisten neuen Radiogeräte können beides. Seit 2021 sind in Neuwagen EU-weit DAB+-fähige Autoradios verpflichtend. Der wichtigste Vorteil gegenüber UKW: Es können deutlich mehr Programme ausgestrahlt werden. Nachteile: In bergigen Gebieten ist die Versorgung durchwachsen. Und nur rund 30% der Haushalte besitzen ein DAB+-Empfangsgerät. Angesichts des Internets bezweifeln viele, ob man DAB+ überhaupt (noch) braucht. 

Kommt der Umstieg auf DAB+?
Seit vielen Jahren wird über den Umstieg diskutiert. Langfristig würde das eine Totalabschaltung von UKW bedeuten. Während in der Schweiz in zwei Jahren Schluss mit UKW sein soll, hat Österreich noch immer keinen Zeitplan und „auch keine Medienpolitik, die dazu was sagen würde“, wie unlängst der Medienjurist Hans Peter Lehofer auf X anmerkte. Eine Erklärung, warum wenig weitergeht: Die mit zusammen rund 70% Marktanteil wichtigsten Player ORF und Kronehit nutzen DAB+ nicht.

Trotzdem: DAB+ wächst. Im Juni sind zu den bestehenden rund 30 noch weitere 28 DAB+ Sender dazugekommen: von Life Radio Greatest Hits, OÖNow, dem Nachrichtensender der OÖN, Radio GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst) bis XXL LUTZ DAS RADIO. Auch wenn manche die Nase rümpfen, für die Medienvielfall ist DAB+ ein Gewinn.

“Game Changer” DAB+ 
DAB+ ist in Österreich angekommen. Tendenz steigend. Ist DAB+ der nächste Knüller? Nein – machen wir uns nichts vor. DAB+ ist keine ehrenwerte demokratiepolitische Initiative der Tech-Industrie. Das Problem ist schlicht: Der Markt ist mit UKW-Radios gesättigt. Die Marktanteile sind relativ stabil. Ein echter “Game Changer”, wie es die immer wieder diskutierte Einstellung von FM4 wäre, ist aktuell nicht in Sicht. Das „Businessmodell“ von DAB+ (wenn man so will): Marktverdrängung. Sicher geht es auch darum, die nicht nur in Österreich vorhandene Dominanz der öffentlich- rechtlichen Programme zu schwächen. Ob die Freien Radios bei diesem Umbruch zuschauen oder mitmachen sollen, ist nicht nur eine grundsätzliche, technologiepolitische Frage. Wie bei Facebook, Youtube, TikTok etc. besteht die Gefahr, sich einmal mehr aus einer verständlichen, letztlich aber sinnlosen Fundamentalopposition zu kommerziellen Entwicklungen selbst zu marginalisieren. 

Kostenpunkt und Synergien
Im UKW Bereich ist Österreich nahezu abgedeckt. Es gibt kaum freie Frequenzen, insofern ist DAB+ eine einmalige Chance auf zusätzliche überregionale Verbreitung. Aber könnten sich die Freien Radios das leisten? Die bundesweite Verbreitung (technische Versorgung: 85% der Wohnbevölkerung) kostet nach Angaben der Sendernetzbetreiberin ORS € 146.500 jährlich. Dazu kommen Kosten für AKM (Gesellschaft für Autor*innen, Komponist*innen und Musikverleger*innen), Personal, Marketing etc. In Summe käme man auf Ausgaben von € 200.000 bis € 350.000 jährlich. Wobei: Die Inhalte, die gesendet werden, existieren bereits. Aus den bestehenden Sendungen der 14 Freien Radios ließe sich mit wenig Aufwand ein kritisches, komplementäres 24-Stunden-Programm zusammenstellen. Eine Art „Best Off“. Noch vernünftiger, wenn auch teurer, wäre allerdings eine gemeinsame Politik- und Nachrichtenredaktion. 

Eine Herausforderung
Soll man auf DAB+ umsteigen? Ja! Aber es braucht zusätzliche Unterstützung. Zwar hat der Bund kürzlich die Förderung für Freie Radios und Community-TV von € 5 auf € 6,25 Millionen erhöht. Aber die Sender brauchen das Geld dringend. Strompreise, Mieten und Personalkosten sind massiv gestiegen. Erst kürzlich hat das Salzburger Community TV FS1 bekannt gegeben, aus Fair Pay aussteigen zu müssen. Dass aus der Erhöhung € 200.000  in einen DAB+ Sender fließen, ist ein dickes Brett, das trotzdem gebohrt werden muss. Auch in anderer Hinsicht müssten die Radios über ihren Schatten springen. Gemeinsame redaktionelle Projekte waren angesichts der Diversität im Sektor nie einfach. DAB+ ist und bleibt eine Herausforderung.

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