Kulturkampf von oben

Europaweit erleben wir ein Aufstreben des Rechtspopulismus und auch in Österreich ist die FPÖ derzeit in vier Landesregierungen vertreten. Was würde eine neuerliche schwarz-blaue Koalition auf Bundesebene für den Kunst- und Kultursektor bedeuten?
Die IG KiKK hat reflektiert, was die Erfahrungen aus Kärnten / Koroška lehren.

Politische Verhältnisse
Zur Auffrischung: Bei den Landtagswahlen 1999 wurde die FPÖ zur stimmenstärksten Partei, wodurch Parteichef Jörg Haider zum zweiten Mal das Amt des Landeshauptmannes einnahm und durch Wiederwahl bis 2008 blieb. In diese Zeit fiel auch die Abspaltung der Kärntner Freiheitlichen von der FPÖ und die Gründung des BZÖ, das bis 2013 im Kärntner Landtag vertreten war. Gerhard Dörfler übernahm nach dem Unfalltod Haiders und war bis 2013 Landeshauptmann. Somit wurde Kärnten / Koroška von 1999 bis 2013 durchgehend von der FPÖ bzw. dem BZÖ hauptverantwortlich regiert.

Kulturagenda
Das kulturelle Anliegen der FPÖ / BZÖ war (und ist nach wie vor) die Stärkung und Absicherung der Heimat- und Traditionspflege. Die öffentliche Kulturförderung stellte Einrichtungen und Veranstaltungen des Brauchtums bzw. der Volkskultur ins Zentrum, Gelder wurden entsprechend verschoben und die Ausgaben vervierzehnfacht: Von 1999 bis 2005 verzeichnete der Bereich „Brauchtum und Heimatpflege“ eine überdurchschnittliche Stei- gerung von + 1.300 %. Prozentual war damit die Brauchtumsförderung doppelt so hoch wie in an- deren Bundesländern. „Heimattreuen“ Verbänden wurden mehrjährige Förderverträge zugesichert, was anderen Spielstätten gegenüber indes mit Ver- weis auf die „angespannte Finanzlage des Landes Kärnten“ abgelehnt wurde.

Finanziell bedacht wurde vor allem auch die publicityträchtige „Eventkultur“, die sich von Politiker*innen leicht als eigene Bühne instrumentalisieren lässt. So wurden Prestigeprojekte wie etwa die Carinthische Musikakademie üppig ausgestattet, Massenevents wie Iron Man oder Beachvolleyball zum Teil aus dem Kulturbudget bezahlt und die Abteilung Eventkoordination ausgebaut.

Kahlschlag
Die Freie Kulturszene wurde hingegen stark marginalisiert und durch das Ausbleiben von Förderungen ausgehungert. Eine Analyse der Kulturberichte von 1999 bis 2005 zeigte eine dramatische Kürzung der Kategorie „Kulturinitiativen“. 2005 flossen nur noch 0,64 % des Kulturbudgets in Kulturinitiativen, im Vergleich zu 7 % für die Volkskultur.

Durch die massiven Kürzungen und Streichungen der Förderungen wurde zeitgenössische Kulturarbeit in unbezahlte Arbeit gedrängt, Programme eingestellt, Personal gekündigt und so brachen ganze Strukturen zusammen. Von den 1999 noch vier Off-Bühnen konnte nur eine bis 2011 überleben. Es war ein Kahlschlag, mit dem Ziel die

„unliebsame“ Kulturszene auszulöschen, beschrieb die damalige Obfrau der IG KiKK Angelika Hödl die Situation. Damit konnten die Szene und die Kritik kleingehalten werden, jegliche Stabilisierung oder gar Wachstum waren unmöglich.

Die Umschichtung im Kulturbudget, exorbitant finanzierte Leuchtturmprojekte und Förderung von Gleichgesinnten erweckten den Eindruck der Willkür bei der Fördervergabe. Hinzu kam ein üppiges Maß Intransparenz: Während Kleinstbeiträge von Fördernehmer*innen penibel im Kulturbericht aufgelistet wurden, versteckte die Kulturabteilung große Summen hinter Platzhaltern: So wurden € 328.424,65 „diverse Zahlungen“ oder € 640.000,– „Organisationsaufwand der Kulturabteilung etc.“ im Kulturbericht 2009 nicht weiter aufgeschlüsselt.

Die Auswirkungen der rechten Politik sind noch unter den nachfolgenden Regierungen spürbar. Die freie Kulturszene konnte erst 2013 nach der Abwahl von FPÖ / BZÖ wieder vorsichtig aufatmen. Jedoch wurde infolge der Notverstaatlichung der Hypo-Alpe-Adria Bank und des drohenden Bankrotts des Bundeslandes 2015 ein Zahlungsstopp

für Ermessensausgaben verhängt und dadurch Kulturförderungen verspätet oder gar nicht ausgezahlt. Damit war jeglicher Aufschwung wieder im Keim erstickt, Kulturprogramme wurden abermals gestrichen.

Hinterlassenschaft
Die benachteiligende Fördervergabe verschärfte die in der freien Szene ohnehin prekären Arbeitsbedingungen. Viele Kulturtätige wanderten ab, was das Sterben von Kultureinrichtungen bzw. -angeboten weiter befeuerte. Kunst- und Kulturakteur*innen flüchteten vor den politischen Zuständen und haben doch auch außerhalb die Ressentiments gegen diese Politik zu spüren bekommen.

Zurück blieb kulturelles Brachland. Mangelnde Anerkennung und (Gegen-)Stimmung im Land haben die Strukturen der Freien Szene grundlegend zerstört. Fehlende kulturelle Vielfalt und Betätigungsfelder verstärkten wiederum die Abwanderung der Jugend. Der Wiederaufbau läuft schleppend, die Nachwirkungen der FPÖ / BZÖ-Regierung sind nach wie vor deutlich: Das Kulturbudget stagniert als eines der geringsten Budgets im Bundesländervergleich. Kärnten / Koroška hat als Land eine der höchsten Pro-Kopf-Verschuldungen und kämpft weiterhin mit der Abwanderung von Fachkräften und jungen Menschen. Die Wiederherstellung der Rahmenbedingungen für Kulturarbeit benötigt weitaus mehr Ressourcen als die verhältnismäßig wenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung nötig gewesen wären.

Am Beispiel Kärnten / Koroška sehen wir, dass die von Rechtspopulismus und Demagogie geleitete Politik Maßnahmen schnell und rücksichtslos umsetzt. Die Erholung davon ist langwierig und mühsam. Der Imageschaden des rückwärtsgewandten Bundeslandes hängt bis heute an Kärnten / Koroška. Zurück bleibt die Herausforderung, die demokratischen Kräfte stetig anzutreiben und an die Erfahrungen zu erinnern, damit sich die Geschichte nicht wiederholt.

Einzelfall?
Ein Blick in die Gegenwart zeigt, dass das Vorgehen in Kärnten kein Sonderfall, sondern systematisch für rechte Kulturpolitik ist. In Oberösterreich, wo die FPÖ seit 2017 an der Landesregierung beteiligt ist, wurden im Kulturbudget 2018 die Mittel für Kulturförderung um 30 % gekürzt. Wie sich die FPÖ in Verantwortung auf städtischer Ebene auswirken kann, lesen Sie auf der nächsten Seite mit Beispielen aus Wels.

In Salzburg wurde nach der schwarz-blauen Regierungsbildung seitens der FPÖ heuer angekündigt, man werde die Kulturförderung von Vereinen „auf Herz und Nieren prüfen, ob die überhaupt förderungswürdig sind und [werde] nicht zögern, Kürzungen oder komplette Streichungen vorzunehmen“.

Die FPÖ Steiermark tritt gegen Fair Pay auf, positioniert sich gegen die jüngst entwickelte Kulturstrategie und fordert mehr Mittel für Volkskultur, welche gegenüber der Freien Szene benachteiligt sei.

Der Text ist in voller Länge inklusive Quellenangaben online abrufbar unter www.igkikk.at

Koroška ist die slowenische Bezeichnung für Kärnten. Im Süden von Kärnten/Koroška lebt die autochthone slowenische Volksgruppe, daher ist das Bundesland zweisprachig. Die Doppelnennung ist Ausdruck dieser Zweisprachigkeit. 

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