Die Zukunft greifbar machen

Durch den Einsatz von Bildern kann die Vorstellungskraft von Lernenden gefördert und eine bessere Zukunft denkbar gemacht werden. Mit welchen Bildern gearbeitet wird, beeinflusst dabei unsere Wahrnehmung in Bezug auf Normen, Möglichkeiten und Utopien. Susi Hinterberger mit Einblicken, Überlegungen und Anregungen.

“Eine Pädagogik der Zukunft [muss] über Strategien nachdenken, die diese Zukunft auch emotional greifbar macht, die sie fühlbar, ja, in gewisser Weise erfahrbar macht.” In ihrem Artikel In der Krise eine gemeinsame Zukunft vorstellen (2023) schreibt die Philosophin und Pädagogin Iris Laner von den Potenzialen, die Bilder in pädagogischen Prozessen bieten. Durch sie könnten Lernende ihre Imagination trainieren, um eine Beziehung zu ihrer ungewissen Zukunft aufzubauen. 

Gemeinsam für eine bessere Zukunft Sorge tragen
Die Wissenschaftstheoretikerin und Philosophin Donna Haraway schreibt in ihrem Buch Unruhig bleiben (2018) von der Wichtigkeit, Beziehungen zu anderen (nicht-)menschlichen Wesen zu pflegen. Nur so wäre es möglich, auf einer Erde, die von verschiedensten menschengemachten Problemen bedroht wird, Sorge für eine bessere Zukunft zu tragen. „[…] Subjekte und Objekte existieren nicht vor ihrer verflochtenen Verweltlichung“, was darauf hinweist, dass wir immer schon mit anderen verbunden sind und uns der Verantwortung, die das mit sich bringt, annehmen müssen. 

Wir leben in einer stark von Bildern geprägten Gesellschaft, daher ist es von Gewicht, welche Vorstellungen sich Vorstellungen vorstellen (frei nach Haraway). Die uns umgebende visuelle Kultur bestimmt maßgeblich, mit wem wir uns verbunden fühlen und welche Zukünfte für uns vorstellbar sind; sie beeinflusst unsere Wahrnehmung in Bezug auf Realitäten, Normen, Möglichkeiten, Formen der Solidarität, sowie Utopien und Dystopien. Ich plädiere daher dafür, beim Nachdenken über alternative Bildwelten in der Pädagogik eine diskriminierungskritische Haltung einzunehmen. Wer bringt Bilder von welchem Standpunkt aus ein? Wer macht Bilder und wer wird eher abgebildet?

Eine diskriminierungskritische Haltung kann man lernen
Die Fähigkeit, sich mit gesellschaftlichen Verhältnissen kritisch auseinanderzusetzen ist etwas, das gelernt werden kann. Die Website diskrit-kubi.net, die sich mit solchen Denk- und Handlungsweisen beschäftigt, bietet hier einen Einstieg und listet einige ‚Indikatoren‘ auf, die eine diskriminierungskritische Haltung ausmachen. So z. B. verstehen zu lernen, dass gesellschaftliche Unterscheidungskategorien, wie ‚race‘, Geschlecht oder Klasse sozial hergestellt und miteinander verflochten sind; oder auch die Notwendigkeit wahrzunehmen, sich selbst innerhalb dieser Kategorien zu verorten. Eine diskriminierungskritische Haltung zu entwickeln, soll dabei keine Arbeit im stillen Kämmerchen sein. In pädagogischen Prozessen ist es wichtig, Werte gemeinsam zu entwickeln, damit ihre Sinnhaftigkeit für alle greifbar ist. Ein produktives Lernumfeld kann nur dann entstehen, wenn Lernende als aktive Mitgestalter*innen wertgeschätzt werden (bell hooks. Die Welt verändern lernen. 2023).

Die Vorstellungskraft für eine bessere Zukunft trainieren
Es stellt sich nun die Frage, welche didaktischen Handlungen für das Trainieren der Vorstellungskraft von Lernenden geeignet sind. Hier kann an verschiedenen Stellen angesetzt werden, zwei konkrete Übungen zum Abschluss sollen als Denkanstöße dienen und die theoretischen Überlegungen greifbarer machen. Für die Beispiele danke ich Judith Musil. 

Die erste mögliche Aktivität ist, ein Bild zu zeigen, in das stark hineingezoomt wurde. Aus diesem wird schrittweise herausgezoomt und die Lernenden sollen gemeinsam Vermutungen anstellen, was abgebildet ist. So wird die Vorstellungskraft gefördert und es bietet Gelegenheit, sich mit den eigenen Erwartungen und Vorprägungen zu beschäftigen. Sie finden auf dieser Seite ein Beispiel für diese Übung, das gesamte Bild gibt es in der Online-Version der Zeitung zu sehen, unter kupf.at/zeitung/191. Dort können Sie zudem kommentieren, welche Vorstellungen Ihre Vorstellungen hatten und jene anderer Leser*innen kennenlernen. Ein weiterer Ansatz ist das Legen von Bildern mithilfe von Materialien, die sich dafür auf den ersten Blick nicht eignen, z. B. mit Springschnüren. Mit solchen Übungen können sowohl Gemeinschaftsgefühl als auch Vorstellungskraft der Lernenden gefördert werden, um gemeinsam zu beginnen, an einer besseren Zukunft für alle zu arbeiten. Was denken Sie, liebe Leser*innen, in welche anderen Kontexte lassen sich diese Überlegungen darüber hinaus einflechten?

kritilab
Projekt kritilab der Akademie der Bildenden Künste München – Fachbereich Kunstpädagogik bietet eine Sammlung an Planungen für den Kunstunterricht, die sich einer diskriminierungskritischen Perspektive verschrieben hat. kritilab.adbk-muenchen.de/

Was sehen Sie auf diesem Bild? Gezeigt ist der stark vergrößerte Ausschnitt eines Fotos, ein Zoom auf einige Details. Auf kupf.at/zeitung können Sie das gesamte Bild sehen sowie kommentieren, welche Vorstellungen Ihre Vorstellungen hatten und die Vorstellungen anderer Leser*innen kennenlernen. 

Foto: Susi Hinterberger
Das Foto zeigt das Depot des Lentos. Was haben sich ihre Vorstellungen vorgestellt? Schreiben Sie es unten in die Kommentare!

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