Mach mal Pause?

Kulturarbeiter*innen sind mit gesellschaftlichen Ambivalenzen konfrontiert. Besonders knifflig: Produktivität und Selbstfürsorge miteinander zu vereinbaren. Elisabeth Mürzl skizziert Einblicke und Auswege.

Hustle Culturebedeutet: ständiger Einsatz, kein Ruhen ist zulässig. Das ist in der Kulturarbeit kein neues Phänomen. Immer mehr zu arbeiten wird romantisiert: kein Projekt ablehnen, zu allem Ja sagen. Wir machen es doch gerne, wir brennen ja dafür (aus). Dem zu Grunde liegen – besonders in der freien Kulturarbeit – geringe Bezahlung, unfreiwilliges Ehrenamt, Selbstausbeutung. Genau jene Arbeitsbedingungen befeuern die Hustle Culture weiter oder machen sie überhaupt erst notwendig. 

Weniger hustlen?

Mehr auf sich selbst achten. Mit ‘Selfcare’, oder zu Deutsch ‘Selbstfürsorge’, benennen wir ein zentrales und gutes Element für ein gesundes und autonomes Leben: dass Menschen Fürsorge benötigen. Vor allem aber, dass diese Fürsorge auch von uns selbst eingefordert werden muss. Selbstfürsorge wurde im Kontext von Care-Arbeit (nicht zuletzt durch die Pandemie) auch in Österreich in den letzten Jahren in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert. Mehr auf sich selbst achten, weniger hustlen? Das scheint zunächst eine mögliche Alternative zur Hustle Culture zu sein.

Abgedriftet in flache Trend-Gewässer

Aber eben nur zunächst. Allzu oft schwimmt Selbstfürsorge im Fahrwasser einer (nur selten genau definierten oder tatsächlich ernst genommenen) Achtsamkeit mit, zwischen Esoterik, toxischer Positivität und neoliberaler Selbstoptimierung. Privilegien werden nicht betrachtet, der Diskurs zu Selfcare – allem voran in den sozialen Medien – als individuelle Frage abgetan. Appelliert wird etwa, Routinen aufzubauen: um 6 Uhr aufstehen, Zehn-Schritte-Hautpflege, Meditieren, Sport, (Dankbarkeits-)Tagebuch, ausschließlich selbst gekochtes und gesundes Essen, eigene Hobbies nicht vernachlässigen und mindestens 8 Stunden Schlaf pro Nacht. Alles in 24 Stunden neben Lohn- und Care-Arbeit.

Wenn auch Routinen und Achtsamkeit zur psychischen Gesundheit beitragen können, verfehlt Selbstfürsorge ihr Ziel, wenn sie lediglich ein weiterer Punkt einer unendlichen To-Do-Liste ist. Aus dem Prinzip Selfcare wurde ein Trend. Performativ und romantisiert. Strukturelle Benachteiligungen und neoliberale (Arbeits-)Bedingungen werden dabei nicht an ihren Wurzeln gepackt.

Miteinander

So komplex diese Überschneidungen auch sind, das Gute daran ist: Sie betreffen viele von uns. Ein gemeinsames Hinhören ermöglicht es, vermeintlich positive Trends zu hinterfragen. Das Austauschen darüber, wie Selbstausbeutung trotz unserer eigenen Reflektiertheit immer noch stattfindet oder auch Selfcare-Trends nicht der Weisheit letzter Schluss sind, bringt uns auf neue Ideen. Und es gibt uns die Möglichkeit zu erkennen, dass wir es nicht alleine schaffen müssen. Nicht alleine schaffen können. Der Kulturbereich wird gerne als Feld genannt, in dem genau solche Probleme und Auswege daraus erprobt werden können. Wir kehren hier wieder zur Ausgangslage zurück: Kulturarbeit wird noch immer häufig nicht als Arbeit eingeordnet. Aber: Kulturarbeit ist Arbeit. Verstehen wir das bitte endlich. Und gute Arbeitsbedingungen brauchen einen Rahmen. In Österreich wird das üblicherweise über Kollektivverträge gelöst. In der Kulturarbeit gibt es diese noch nicht.

Was nicht ist, kann noch werden: Gemeinsam mit der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) hat die IG Kultur Österreich im Jänner 2024 die erste Sozialpartnerempfehlung für gemeinnützige Kulturorganisationen erstellt: Fair Pay, Wochenendzulagen, geregelte Mehrstunden u.a. Ganz „normal“ also. Fair-Pay-Empfehlungen gibt es schon seit Jahren, nun wurden weitere Schritte gesetzt. In manchen Kulturinitiativen werden diese grundlegenden Dinge bereits umgesetzt und aktiv gelebt.

Wir erproben weiter! 

Schließlich sind Trends wie Selfcare eine gute Schule: für das gemeinsame, kritische  und ehrliche Hinschauen, egal, ob beim Kulturarbeiter*innenstammtisch oder bei der Arbeit von Interessenvertretungen der freien Szene.

Kulturarbeiter*innen sind mit gesellschaftlichen Ambivalenzen konfrontiert. Besonders knifflig: Produktivität und Selbstfürsorge miteinander zu vereinbaren. Elisabeth Mürzl skizziert Einblicke und Auswege.

Hustle Culturebedeutet: ständiger Einsatz, kein Ruhen ist zulässig. Das ist in der Kulturarbeit kein neues Phänomen. Immer mehr zu arbeiten wird romantisiert: kein Projekt ablehnen, zu allem Ja sagen. Wir machen es doch gerne, wir brennen ja dafür (aus). Dem zu Grunde liegen – besonders in der freien Kulturarbeit – geringe Bezahlung, unfreiwilliges Ehrenamt, Selbstausbeutung. Genau jene Arbeitsbedingungen befeuern die Hustle Culture weiter oder machen sie überhaupt erst notwendig. 

Weniger hustlen?

Mehr auf sich selbst achten. Mit ‘Selfcare’, oder zu Deutsch ‘Selbstfürsorge’, benennen wir ein zentrales und gutes Element für ein gesundes und autonomes Leben: dass Menschen Fürsorge benötigen. Vor allem aber, dass diese Fürsorge auch von uns selbst eingefordert werden muss. Selbstfürsorge wurde im Kontext von Care-Arbeit (nicht zuletzt durch die Pandemie) auch in Österreich in den letzten Jahren in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert. Mehr auf sich selbst achten, weniger hustlen? Das scheint zunächst eine mögliche Alternative zur Hustle Culture zu sein.

Abgedriftet in flache Trend-Gewässer

Aber eben nur zunächst. Allzu oft schwimmt Selbstfürsorge im Fahrwasser einer (nur selten genau definierten oder tatsächlich ernst genommenen) Achtsamkeit mit, zwischen Esoterik, toxischer Positivität und neoliberaler Selbstoptimierung. Privilegien werden nicht betrachtet, der Diskurs zu Selfcare – allem voran in den sozialen Medien – als individuelle Frage abgetan. Appelliert wird etwa, Routinen aufzubauen: um 6 Uhr aufstehen, Zehn-Schritte-Hautpflege, Meditieren, Sport, (Dankbarkeits-)Tagebuch, ausschließlich selbst gekochtes und gesundes Essen, eigene Hobbies nicht vernachlässigen und mindestens 8 Stunden Schlaf pro Nacht. Alles in 24 Stunden neben Lohn- und Care-Arbeit.

Wenn auch Routinen und Achtsamkeit zur psychischen Gesundheit beitragen können, verfehlt Selbstfürsorge ihr Ziel, wenn sie lediglich ein weiterer Punkt einer unendlichen To-Do-Liste ist. Aus dem Prinzip Selfcare wurde ein Trend. Performativ und romantisiert. Strukturelle Benachteiligungen und neoliberale (Arbeits-)Bedingungen werden dabei nicht an ihren Wurzeln gepackt.

Miteinander

So komplex diese Überschneidungen auch sind, das Gute daran ist: Sie betreffen viele von uns. Ein gemeinsames Hinhören ermöglicht es, vermeintlich positive Trends zu hinterfragen. Das Austauschen darüber, wie Selbstausbeutung trotz unserer eigenen Reflektiertheit immer noch stattfindet oder auch Selfcare-Trends nicht der Weisheit letzter Schluss sind, bringt uns auf neue Ideen. Und es gibt uns die Möglichkeit zu erkennen, dass wir es nicht alleine schaffen müssen. Nicht alleine schaffen können. Der Kulturbereich wird gerne als Feld genannt, in dem genau solche Probleme und Auswege daraus erprobt werden können. Wir kehren hier wieder zur Ausgangslage zurück: Kulturarbeit wird noch immer häufig nicht als Arbeit eingeordnet. Aber: Kulturarbeit ist Arbeit. Verstehen wir das bitte endlich. Und gute Arbeitsbedingungen brauchen einen Rahmen. In Österreich wird das üblicherweise über Kollektivverträge gelöst. In der Kulturarbeit gibt es diese noch nicht.

Was nicht ist, kann noch werden: Gemeinsam mit der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) hat die IG Kultur Österreich im Jänner 2024 die erste Sozialpartnerempfehlung für gemeinnützige Kulturorganisationen erstellt: Fair Pay, Wochenendzulagen, geregelte Mehrstunden u.a. Ganz „normal“ also. Fair-Pay-Empfehlungen gibt es schon seit Jahren, nun wurden weitere Schritte gesetzt. In manchen Kulturinitiativen werden diese grundlegenden Dinge bereits umgesetzt und aktiv gelebt.

Wir erproben weiter! 

Schließlich sind Trends wie Selfcare eine gute Schule: für das gemeinsame, kritische  und ehrliche Hinschauen, egal, ob beim Kulturarbeiter*innenstammtisch oder bei der Arbeit von Interessenvertretungen der freien Szene.

Infos zur neuen Sozialpartnerempfehlung und zu Fair Pay:

https://igkultur.at/projekt/sozialpartnerempfehlung-freie-kulturarbeit

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