Welche Kommunikationskultur kann uns dabei unterstützen, im guten Miteinander zu sein und zu arbeiten – am Frühstückstisch, in der Kulturarbeit oder in politischen Diskussionen vor der Wahl? Von Aliette Dörflinger.
Eine Begegnung und ein Miteinander passieren manchmal zufällig, häufiger sind sie aber intendiert und eine Absicht eines gemeinsamen Tuns und Seins steckt dahinter. Im Kultur- und Kunstbereich definiert sich vielerlei Arbeit und Aktivität rund um die Begegnung und das Miteinander. Aber dort, wo Menschen zusammentreffen, menschelt es oft und die Begegnung läuft nicht reibungsfrei ab. Reibung per se ist nichts Negatives, sie produziert Energie – aber zu viel Reibung ist dann letztendlich doch eine Energieräuberin.
Viele Fragen
Wenn ich einem Menschen begegne, kommt es sehr oft auf den Kontext an, wie wir miteinander kommunizieren. Und auch auf die Frage, in welcher Rolle wir zueinander stehen: Ist es eine langjährige Projektpartnerin, ein Unbekannter oder eine Teilnehmende an einer Veranstaltung, an der ich mitwirke? Ist es eine Person, die ich zutiefst liebe oder die mir in ihrem Tun ganz fremd ist? Manche würden meinen: „Egal wem ich begegne, ich werde mit dieser Person so kommunizieren, wie es mir entspricht!“, mit ihrer Haltung und ihren Werten. Und doch verlaufen nicht alle Begegnungen gleich. Haben wir zudem unsere Haltungen und Werte immer parat?
Seien wir ehrlich mit uns selbst. Auch wenn wir uns zum Beispiel einer wertschätzenden Kommunikation verschrieben haben, wenn Großzügigkeit einer unserer wichtigsten Werte oder ein friedliches Miteinander ein Lebensziel ist – bedeutet es, dass wir in allen Lebenslagen, mit allen Menschen und in jeder Emotion eine wunderbare Kommunikationskultur haben? Meine persönliche Antwort dazu ist … leider nein. Und vielleicht bin ich ja nicht die Einzige, der es so geht. Manche Dinge regen mich einfach auf, manche Menschen haben Standpunkte, die mir so fremd sind, in manchen Situationen kann ich nicht Ruhe bewahren und mit friedvollen Emotionen in ein Gespräch einsteigen. Was kann mich dabei unterstützen, den Widrigkeiten des Lebens zu trotzen und eine Kommunikationskultur zu leben, die das Miteinander eindeutig unterstützt und fördert?
Eine Entscheidung und viel Praxis
Der erste Schritt ist eine Entscheidung: Mit welcher Haltung begegne ich meinem Gegenüber? Diese Entscheidung muss jede*r persönlich treffen und hat wohl auch damit zu tun, welchen inneren Dialog man mit sich selbst führt. Für den Frieden und das Miteinander ist es förderlich, eine Zuversicht bzw. eine Freundlichkeit gegenüber der Menschheit und den Menschen zu haben, am Ende des Tages bitte auch gegenüber sich selbst.
Ein weiterer Anhaltspunkt ist, sich bewusst zu machen, dass es sich hier um eine tägliche Praxis handelt – um ein Praktizieren mit mir selbst und meinen Mitmenschen, ein Üben, jeden Tag aufs Neue. Es werden nicht nur anstrengende Kolleg*innen sein, auch grantige Partner*innen beim Frühstück oder pubertierende Kinder. In Wahljahren, wie diesen, kann es außerdem passieren, dass wir in politische Diskussionen verwickelt werden. In Zeiten ungesunder Polarisierung kann dies bedeuten, dass zu stark eingefahrene Meinungen aufeinandertreffen und uns emotional ans Ende unserer wertschätzenden Kommunikationspalette bringen. Argumente gäbe es wohl noch zuhauf, aber die Lust auf eine Begegnung, auf ein Miteinander schwindet. Was tun? Das Gespräch höflich beenden oder das Thema wechseln sind natürlich immer Optionen. Sich in Rage zu reden und so zu streiten, dass jede weitere Begegnung unmöglich wird – davon ist vor allem im familiären Kontext eher abzuraten. Eine mögliche Lösung? Erinnern wir uns an unsere individuelle Praxis. Sie könnte z. B. durch folgende Momentaufnahmen, Wahrnehmungen, gute Fragen oder Schritte begleitet werden: #1: Was will ich für ein Mensch sein? Was ist mir wichtig im Miteinander? #2: Einatmen und sich körperlich wahrnehmen bzw. spüren. #3: Zuhören. So richtig hinhören, um zu verstehen. Worum geht es gerade? #4: Nicht nur der Verstand, auch das Herz hört und redet mit. #5 Braucht es eine Antwort? #5plus: Noch einmal ausatmen, bevor ich antworte.
Echtes Zuhören
In herausfordernden Situationen und in der Begegnung mit Menschen, mit denen ich vermeintlich anecke, sind ein ‘echtes Zuhören’ bzw. ein ‘empathisches Zuhören’ und eine Offenheit dem Anderen gegenüber noch wichtiger als sonst, so schwer es uns auch fällt. Eine Dialoghaltung kann dabei ein wichtiger Kompass im Miteinander sein, um eine Begegnung zu ermöglichen, wo das ‘gemeinsam Mensch sein’ wieder so richtig lustvoll und schön wird.