Präsentation der OÖ-Ergebnisse der österreichweiten Datenerhebung von IG Kultur und KUPF OÖ: Zahlen – Fakten – Konsequenzen – Maßnahmen
Von 19. bis 29. März 2020 führte die Kulturplattform Oberösterreich (KUPF OÖ) gemeinsam mit der IG Kultur Österreich eine bundesweite Datenerhebung durch. Ziel war, erstmals konkrete Aussagen über das Ausmaß der entstandenen Einnahmenausfälle und des drohenden Gesamtschadens für die freie Kunst- und Kulturszene treffen zu können.
Diese ist seit Einsetzen des Veranstaltungs- und Versammlungsverbots besonders gefährdet. Bereits vor der Corona-Krise war die Finanzlage in Oberösterreichs Kulturszene extrem angespannt: Rücklagen sind kaum vorhanden, MitarbeiterInnen unterbezahlt, Investitionen in die Infrastruktur sind schon lange nicht mehr möglich, einige Vereine sind sogar verschuldet. Das einst stolze Kulturland OÖ gilt heute als Sorgenkind der österreichischen Kulturszene.
Angesichts dieser Ausgangslage sind die Folgen der Corona-Maßnahmen – so wichtig und notwendig sie sind – für diesen Sektor umso drastischer: Während in den öffentlichen Kultureinrichtungen die Eigenmittel oft nur 10–20% ausmachen, müssen viele gemeinnützige Träger 50–80% ihres Umsatzes selbst erwirtschaften, sind finanziell also ungleich stärker von dem Veranstaltungsverbot betroffen. Die wegbrechenden Einnahmen stammen dabei nicht nur aus dem Verkauf von Eintrittskarten, viele Vereine sind in Folge der Sparkurse der öffentlichen Hand auch auf Einnahmen aus gastronomischen Betrieben angewiesen. Und jeder Euro, der bei den Kulturbetrieben nicht ankommt, ist ein Euro, der bei MitarbeiterInnen, KünstlerInnen, Veranstaltungsfirmen und noch vielen anderen Branchen fehlt, die stark von der Kulturindustrie abhängen.
In einer virtuellen Pressekonferenz am 2. April präsentierte die KUPF OÖ nun die oberösterreichischen Ergebnisse der Datenerhebung und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen und Forderungen.
Ergebnisse der Datenerhebung für OÖ
Details zur Auswertung:
Zielgruppe: Gemeinnützige Kulturinitiativen mit Sitz in OÖ, die Mitglieder der KUPF OÖ sind
Ausgefüllte Fragebögen: 74
Grundmenge: 158
Rücklaufquote: 47%
Erhebungszeitraum: 19.03.2020–29.03.2020 (10 Tage)
Datenauswertung: Absolute Werte wurden auf Grundmenge hochgerechnet
Ergebnisse:
Von Beginn des teilweisen Veranstaltungsverbots bis zum vorläufig mit 13. April festgesetzten Ende des vollständigen Versammlungsverbots schätzen Oberösterreichs Kulturvereine den entstandenen Schaden vorerst auf mindestens 930.000 € ein.
In dieser Zeit mussten 1.044 Veranstaltungen und Projekte abgesagt werden, weitere 414 wurden auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Von den Folgen des Veranstaltungsverbots sind bei den Mitgliedern der KUPF OÖ die Arbeitsplätze von 350 ArbeitnehmerInnen sowie die Lebensgrundlage von mehr als 710 freien Werkvertrags-nehmerInnen bedroht. 30 Angestellte wurden bereits gekündigt, oder stehen kurz vor der Kündigung.
Wenn das Veranstaltungsverbot bis Ende Juli gilt, dann sind 50% aller Kulturvereine zahlungsunfähig oder von der Zahlungsunfähigkeit bedroht.
Je länger das Veranstaltungsverbot gilt, desto höher wird der finanzielle Schaden: Bis Ende Juli summiert sich der befürchtete Schaden auf bereits 2,7 Mio. €.
Sollte das Veranstaltungsverbot bis Ende Juli gelten, so werden in Summe mehr als 5.000 Kulturveranstaltungen ausfallen.
Von den bisherigen angekündigten Maßnahmen können Kulturvereine nur in geringem Umfang profitieren:
38% würden von einem Erlass der Mietkosten profitieren.
19% können oder wollen Kurzarbeit nutzen.
16% erhoffen sich Erleichterung durch eine Herabsetzung der AKM Gebühren.
9% würden von einer Herabsetzung oder Stundung der Sozialversicherungsbeiträge profitieren.
9% würden von einer Herabsetzung oder Stundung von Steuervorauszahlungen profitieren.
43% halten keine der Maßnahmen für relevant oder notwendig.
Sowohl im Erhebungszeitraum als auch während der Auswertung war noch nicht geklärt, wie und in welcher Höhe Kulturvereine vom Härtefonds der Bundesregierung profitieren können.
Allgemein betonte der Großteil der Befragten die Schwierigkeit der Bezifferung des Schadens aufgrund großer Unsicherheiten und nicht gegebener Planbarkeiten wegen der ausbleibenden verbindlichen Entscheidungen der politischen EntscheidungsträgerInnen.
Schlussfolgerungen und Forderungen
der KUPF OÖ
Was ist nun zu tun?
Aus diesen Zahlen und Fakten sowie den zahlreichen Beratungsgesprächen und Rückmeldungen leiten sich aus Sicht der KUPF OÖ folgende Schlussfolgerungen und nötige Maßnahmen ab:
- (Bund) Härtefonds
Es braucht endlich Kriterien für die Inanspruchnahme des von der WKO verwalteten Härtefonds, auf die sich die Bundesregierung bis heute nicht einigen konnte. Auch die Kulturvereine sind auf rasche Hilfszahlungen angewiesen und brauchen Planungssicherheit. Mindestens muss der Fonds alle durch die Maßnahmen entstandenen Kosten abdecken. Vorkehrungen zur unbürokratischen Deckung von bereits getätigten Vorleistungen für Veranstaltungen ab 14. April bis Sommer – zur Gewährleistung der Planbarkeit von zukünftigen Veranstaltungen (siehe Punkt 2) sind wichtig.
- (Bund) Bessere Planbarkeit, mehr Sicherheit
Niemand rechnet damit, dass nach dem aktuellen Ende des Veranstaltungsverbots am 14. April bereits Kulturveranstaltungen stattfinden können. Der Bund sollte das Veranstaltungsverbot realistisch bewertet so lange wie notwendig erlassen. Die aktuelle wochenweise Verlängerung führt nicht nur zur zusätzlichen Verunsicherung der Veranstaltungsbetriebe, sie verunmöglicht Planung, Vorbereitung und verantwortungsvolles Agieren im Sinne der Wirtschaftlichkeit.
- (Bund) Erweiterung der Kurzarbeit auf Geringfügige
Aktuell sind geringfügige ArbeitnehmerInnen von der Kurzarbeit ausgeschlossen. Gerade im gemeinnützigen Kulturbereich sind allerdings viele ArbeitnehmerInnen nur geringfügig beschäftigt, besonders in Bereichen wie Publikumsservice, Kassa- und Bardienst oder Reinigungsbereich. Eine Erweiterung auf geringfügige DienstnehmerInnen würde wohl nur geringe Mehrkosten verursachen und gleichzeitig eine wichtige Hilfestellung für den Kulturbetrieb bedeuten.
- (Land OÖ) Kultur-Konjunkturpaket OÖ
Das Land OÖ hat gerade ein Konjunkturpaket angekündigt, um Oberösterreichs Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder anzukurbeln. Die KUPF OÖ betont, dass darin auch der Kulturbereich mit den notwendigen Mitteln bedacht werden muss. Konkret schlägt die KUPF zumindest folgende Maßnahmen eines Kultur-Konjunkturpakets vor:
Kulturhärtefonds OÖ
Dort, wo andere Maßnahmen wie Kurzarbeit und der Bundeshilfsfonds nicht greifen, muss das Land OÖ seine eigenen Kulturvereine unterstützen und die Einnahmenentgänge abfedern. Das Ziel ist einfach formuliert: Kein Kulturverein darf in die Insolvenz schlittern oder gezwungen sein, sich zu verschulden (so dies überhaupt möglich ist, viele Vereine erhalten mangels Bonität keine oder nur geringe Kredite). Die notwendige Dotierung ist aktuell schwer abzuschätzen.
Arbeitsstipendien
Um die Kulturszene kurz- und mittelfristig aus der Schockstarre zu holen und wieder arbeitsfähig zu machen, fordert die KUPF OÖ die rasche Einrichtung von Arbeitsstipendien für KünstlerInnen, KulturvermittlerInnen und KulturarbeiterInnen in und für Oberösterreich im zweiten Quartal. Vergleichbare Programme wurden vor wenigen Tagen für Salzburg und Wien angekündigt; essentiell ist dabei der Fokus auf Prozessorientierung, das heißt z. B. Projektentwicklung, Lesungs-, Ausstellungs- und Veranstaltungskonzeption bzw. -vorbereitung.
Neustart des Innovationstopfes
Der letzte Innovationstopf des Landes OÖ wurde 2016 ausgeschrieben, danach fiel das Programm der Kürzungspolitik zum Opfer. Die KUPF schlägt vor, so rasch wie möglich einen mit 1 Mio. € dotierten Kultur-Innovationstopf für die Zeit nach Aufhebung des Veranstaltungsverbots auszuschreiben und stellt sich für die professionelle Abwicklung zur Verfügung. Ziel soll sein, neue Programme und Ideen zu entwickeln, um so einerseits das verunsicherte Publikum anzulocken und andererseits den drastischen Einschnitt in die Kunst- und Kulturszene produktiv zu nutzen. Wie hat sich Kunst und Kultur verändert? Wie kann/muss sie nach COVID-19 (neu) gedacht werden?
Bauliche/Hygiene-Maßnahmen fördern
Sollte es notwendig sein, die Social Distancing Maßnahmen längerfristig aufrecht zu erhalten, ist dies besonders in vielen kleinen Kultureinrichtungen nur schwer ohne Umbauten möglich. Auch braucht es mehr Geld für die Verbesserung von sanitären Anlagen sowie den Ankauf von Desinfektionsmitteln.
- (Land OÖ) Neustart in der Kulturförderung
Die KUPF OÖ beklagt seit Jahren die mangelnde Finanzierung im Bereich der gemeinnützigen Kunst- und Kulturinitiativen und der zeitgenössischen Kunstszene. Es braucht mehr denn je eine Verdoppelung des jährigen Förderbudgets von etwa 5 Mio. € auf 10 Mio. €.
- (Land OÖ) Informationspolitik
Bis dato gibt es keine Informationen für Kulturvereine und Kulturschaffende auf der Website des Landes OÖ zu den Auswirkungen der Corona-Epidemie auf den Kulturbereich. Hier braucht es eine bessere Informationspolitik und rechtsverbindliche Auskünfte besonders zu bereits öffentlich getätigten Zusagen wie die Kulanz bei der Förderabrechnung, der Verzicht auf Ratenzahlungen oder die raschere Abarbeitung offener Förderanträge.
Zusammenfassung
In einem Monat ist Oberösterreichs Kulturvereinen – u. a. durch die Absage oder Verschiebung von 1.500 Veranstaltungen und Projekten – ein Schaden von fast 1 Mio. € entstanden. Bis Ende Juli summiert sich der befürchtete Schaden bereits auf fast 3 Mio. € und 5.000 entfallende Kulturveranstaltungen. Akut bedroht sind Arbeitsplatz und Lebensgrundlage von über 1.000 ArbeitnehmerInnen und WerkvertragsnehmerInnen. Wenn das Veranstaltungsverbot bis Ende Juli gilt, dann sind etwa 50% aller oberösterreichischen Kulturvereine zahlungsunfähig oder von der Zahlungsunfähigkeit bedroht. Die bisher angekündigten Maßnahmen reichen nicht aus, wie die Auswertung der österreichweiten Datenerhebung zur Lage der Kulturinitiativen zeigt. Die KUPF OÖ fordert weitere Hilfen von Bund und Land Oberösterreich und startet die Aktion #drüberretten.