… wenn man etwas auf Social Media postet. Kathrin Quatember über Content- und Community-Management, das User*innen einlädt, sich (kritisch) einzubringen.
Wir müssen wirklich dringend über mangelnde Moderation und Community-Management reden. Wer nicht bereit ist, hier zu investieren, muss beim Content und der Anzahl der Plattformen zurückschrauben. Wenn wir aber so viele Kanäle bespielen möchten, brauchen wir klare Regelungen, genug Leute, die das leisten wollen und können und eindeutige Zuständigkeiten.
In der Kalkulation und Einschätzung von Ressourcen müssen wir immer von Phasen der Krisenereignisse bzw. Phasen erhöhter Aufmerksamkeit ausgehen, in denen tausende Kommentare daherkommen. Nicht von Chill – und hintennach überfordert sein.
Große bzw. Krisenereignisse könnten sein:
– bei Medien: Ereignisse wie der Amoklauf an einer Schule in Graz, kriegerische Eskalationen
– bei Parteien, NGOs etc.: Wahlkampf, Vorsitzwechsel, Rücktritte, interne Querschüsse, auffällige Kampagnen zu kontroversen Themen
Grundsätzlich dürfen wir niemals von der absoluten Ruhe in der Moderation auf Social Media als Normalzustand ausgehen. Noch schlimmer ist, überhaupt nicht dran zu denken. Wir müssen von der kompletten Kommentar-Eskalation ausgehen. Wenn wir bei Kampagnen Social Ads schalten, müssen wir den Moderationsaufwand mindestens doppelt rechnen, je nach Laufzeit, Werbegruppen und Werbebudget mal drei. Wenn in Chill-Zeiten eine halbe Stelle ausreicht, brauchen wir in Stresszeiten eine ganze bis 1,5 Stelle(n). Und wir leben in einer Multikrise. Auch Diversität passiert nicht einfach von selbst. Also investieren wir! Statt das dem Content Management zusätzlich „nebenbei“ umzuhängen.
Hinzu kommt und wird oft vergessen: Wer auf den eigenen Kanälen eine grottige oder gar keine Moderationslinie fährt, reduziert die Qualität des eigenen Auftritts. Menschen, die theoretisch bereit zu Widerrede oder zum Nachfragen wären und damit Teil des Community- und redaktionellen Kommentarmanagements sind, werden sich zurückhalten, wenn die Kommentarsektionen komplett eskalieren. Da kann der Content noch so blingbling sein. Wenn wir uns Communities wünschen, die bei fiesen Kommentaren auch Widerrede leisten, dann müssen wir genau den Engagierten die Möglichkeit geben, dass sie nicht im Hate untergehen. Sich nur darüber beschweren, dass Kommentare und die Diskussionskultur so schlimm sind, bringt genau gar nix.
Der Gap zwischen der fehlenden Anerkennung sowie Sichtbarkeit des Community-Managements einerseits und der dafür nötigen Empathie, Zeit, Recherchekompetenz und Erfahrung könnte größer nicht sein. Was es braucht, um das zu ändern? Es ist nicht so schwer: Wertschätzung, Ressourcen (also Zeit und Budget), Ruhe (also das Gegenteil von “nebenbei mitmachen”), vollständige und zeitnahe Informationsflüsse, Miteinbeziehen in strategische Entscheidungen und das Angebot von Supervision und Therapie, ohne deren Inanspruchnahme als Schwäche auszulegen.
Community- und Kommentar-Manager*innen sind Profis in jeder Hinsicht. Behandeln wir sie auch so!