Körper, Schreiben, Blut

Stefanie Jaksch und Magdalena Stammler geben den literarischen Sammelband “Bluten” heraus. Im Gespräch mit Marlies Auer erzählen sie von ihren Zugängen, der Auswahl der Autor*innen, fairer Bezahlung und einer vielschichtigen Auseinandersetzung – von Menstruation über Altersarmut bis Rassismus.


Marlies Auer: Wofür steht “Bluten” in eurem Buch?

Magdalen Stammler: Wir haben “Bluten” in vielen verschiedenen Facetten gedacht. Die erste Assoziation ist meist das Menstruationsblut, aber es geht auch um die gesellschaftliche Verausgabung von Frauen*, von Müttern*. Es geht um Altersarmut, um Krankheit, ums Sterben, um berufliche Ausbeutung, um Care-Arbeit. Das alles sind Themen, die man auch im übertragenen Sinn mit Blut verbinden kann.
Stefanie Jaksch: Gleichzeitig kamen im Austausch und Arbeitsprozess mit den Autor*innen auch neue Ebenen dazu, an die wir selbst vielleicht gar nicht gedacht haben, die uns überrascht haben. Da ging es dann um Ökologie, wie Natur tatsächlich ausblutet, wie wir sie ausbluten lassen – verbunden mit einer weiblichen Sicht. Auch Themen wie Migration und Rassismus sind aufgekommen. Und plötzlich macht sich ein riesiges gesellschaftliches Kaleidoskop auf – was wir uns gewünscht, aber womit wir auch nicht ganz gerechnet haben. Das war ein sehr beglückender Prozess. 


Was ist euch am Zugang zum Thema “Bluten”  wichtig?

Magdalena Stammler: Gleich einmal vorneweg: Was wir wollten, ist eine literarische Auseinandersetzung mit dem Titel, keine Sammlung an Essays oder Argumentationsschriften. Es ist eine künstlerische und literarische Auseinandersetzung mit diesem Thema. 
Stefanie Jaksch:  Wir wollten erkunden: Wer redet eigentlich über das Bluten in all seinen Implikationen? Und über wen wird geredet? Wir reden eben nicht über diese Personen, sondern lassen sie selbst zu Wort kommen. Ob es in den Texten um einen körperlichen Vorgang, generationale Traumata oder rassistische Anfeindungen geht: Wir hoffen, dass wir mit unserem Buchprojekt den Diskurs ein wenig verschieben können.


Wie ist die Auswahl der beteiligten Autor*innen zustande gekommen?

Jaksch: Wir hatten ein paar Wunschkandidat*innen von Anfang an, dennoch war es auch ein relativ langer Prozess. Da im Laufe der Arbeit an einer Anthologie doch so einiges aufkommt und man alles abdecken möchte, das man glaubt, abdecken zu müssen.
Stammler: Von Beginn an war klar, dass wir Menschen mit verschiedenen Hintergründen, z.B. auch Altersstufen, dabei haben möchten. Auch Autor*innen, die vielleicht schon bekannter sind und solche, die noch nicht viele Texte oder keine eigenständigen Publikationen veröffentlicht haben. Wir wollten sehr verschiedene Leute zusammenbringen und hatten gleichzeitig Perspektiven im Kopf, die wir abdecken wollen. Aber das erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Jaksch: Ganz zum Schluss gab es dann Momente, in denen wir gesagt haben: Also ein Text, der ein bisschen leichter ist, der jetzt noch ein bisschen Humor reinbringt, wäre schön. Und dann kam tatsächlich eine Woche später noch ein Text von der Autorin, von der wir uns das vielleicht auch ein bisschen erhofft hatten.


In dem Exposé, das ihr uns vorab geschickt habt, formuliert ihr “Wir bluten und sie lassen uns” – wer ist dabei “wir”? Wen umfasst Frauen*?

Jaksch: Das ist eine Frage, die wir uns auch gestellt haben. Dabei sind wir als Herausgeberinnen an einen Punkt gekommen, an dem wir wussten, es gibt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt aber eine Komponente, einen Ausgangspunkt, der uns trotz aller Metaebenen – auch persönlich – sehr beschäftigt hat: der körperliche Vorgang des tatsächlichen Blutens, den du als Frau* nun mal (im Schnitt) einmal im Monat erlebst. Dieser Fakt macht ganz, ganz viel mit der Art, wie du dich in der Welt verortest und wie die Welt dich in ihr verortet, wie du dich in der Welt bewegst. Darin steckt eine große Kraft, es ist aber gleichzeitig eine Herausforderung. Manchmal auch eine Belastung. Und denken wir das weiter, sind wir schnell bei dem Thema Geburt, das in einigen Texten der Anthologie vorder- oder hintergründig eine Rolle spielt – vor allem die Tatsache, dass das keine romantische, sondern sehr blutige Angelegenheit ist, die sowohl für Frauen* als auch für die Kinder immer noch lebensbedrohlich sein kann, auch hier bei uns, in Mitteleuropa.  Eine körperliche Komponente ist also nicht wegzudenken aus unserem Buch. 


Künstlerische Arbeit ist oft nicht fair bezahlt. Wie viel Herzblut im Sinne von ehrenamtlicher Arbeit steckt denn in diesem Buch? 

Jaksch: Ohne die kommt man nicht aus. Es war für uns als Herausgeber*innen bei der Konzeption so, dass wir von Anfang an auf adäquate und faire Bezahlung für alle Beitragenden bestanden haben und das auch ein integraler Bestandteil bei der Verlagssuche war. 
Stammler: Für uns beide war natürlich viel Arbeit damit verbunden. Wir haben die Texte lektoriert, das waren viele Stunden, die wir investiert haben. Aber es war auch ein Lernprozess, nachdem es zumindest für mich das erste Mal ist, ein Buch herauszugeben: Wie kann man konstruktive Rückmeldungen an Autor*innen geben, Texte verantwortungsvoll bearbeiten oder Feedback so formulieren, dass alle etwas davon haben und sich wertgeschätzt fühlen?
Erfreulich war auch die Zusammenarbeit mit dem Verlag, der nicht nur von Anfang an hinter der Idee stand, sondern auch hinter den Bedingungen, die für uns zentral waren.

Das Gespräch ist Teil der Februar 2025-Episode KULTURTRANSFER – Der Podcast der Kulturplattform Oberösterreich.
kupf.at/podcast 

Magdalena Stammler, Stefanie Jaksch (Hg.innen), Bluten, 16 Stories, erscheint bei Haymon im Herbst 2025. Mit Texten von Elif Duygu, Mareike Fallwickl, Milena Michiko Flasar, Yasmin „Yasmo“ Hafedh, Lydia Haider, Gertraud Klemm, Johanna Linimayr, Lydia Mittermayr, Jacinta Nandi, Lisa-Viktoria Niederberger, Romina Pleschko, Barbara Rieger, Chantal-Fleur Sandjon, Julya Rabinowich, Margit Schreiner, Magdalena Stammler.

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