Bund, Länder und Kommunen müssen handeln, um Kulturszene abzusichern
Nach Jahren des Stillstands wurden unter dem Eindruck der Coronakrise endlich viele Budgets zur Finanzierung der freien Kunst- und Kulturszene deutlich erhöht. Doch der aktuelle Mix aus hoher Inflation und explodierenden Energiepreisen frisst die Fortschritte in kürzester Zeit wieder auf. Die KUPF OÖ hat sich angesehen, wie sich die aktuellen Preissteigerungen auf die Freie Szene auswirken und fordert rasche Maßnahmen.
Die allgemeine Ausgangslage
Die Inflation, die derzeit bei etwa 9 % liegt, wirkt sich auch auf die Budgets der Kulturvereine aus. Mietkosten für Veranstaltungsräume und Büros steigen rasant, ebenso Reisekosten und Hotelpreise, Caterings, Druck- und Versandkosten. Als Folge der Coronakrise sind die Preise für technische Dienstleistungen und Mietpreise für Technik deutlich gestiegen. Auch Künstler*innen sind gezwungen, höhere Gagen zu verlangen, müssen diese ebenfalls ihre gestiegenen Lebensunterhaltskosten bewältigen.
Auch die Personalkosten werden – oder besser gesagt – sollten steigen. Jene Vereine, die letztes und dieses Jahr dank verschiedener Fair Pay-Maßnahmen endlich einmal die Löhne ihrer Mitarbeiter*innen erhöhen konnten, müssen eigentlich für nächstes Jahr weitere Gehaltssteigerungen einplanen, die aus heutiger Sicht kaum finanzierbar scheinen. Ohne zusätzliche Unterstützung droht Fair Pay im Kunst- und Kulturbereich wieder in weite Ferne zu rücken.
Nicht zuletzt stehen wir vor dem dritten Corona-Winter, dessen Auswirkungen noch niemand genau abschätzen kann. Selbst wenn weiträumige Lockdowns diesmal ausbleiben, wird jede weitere Coronawelle die Kulturszene ebenso belasten. Wie Michael Eibl von der Local-Bühne Freistadt erläutert: „Gerade der Tourbereich ist hier besonders betroffen. Bandtouren sind äußerst knapp kalkuliert. Werden zwei oder drei Veranstaltungen einer Tour wegen Besuchermangels gestrichen, so rentiert sich die gesamte Tour meist nicht mehr und muss abgesagt werden.“
Dazu kommen nun noch drastisch steigende Kosten für Strom und Heizung. Gerade Veranstaltungsräume, die oft große Volumina haben, verursachen hohe Energiekosten. Viele Kulturräume sind auch nicht auf dem letzten Stand der Gebäudetechnik, da aus den laufenden Budgets kaum Gebäude-Sanierungen bezahlt werden können.
Die Situation in Oberösterreich
Die steigenden Energiepreise treffen besonders jene Kulturinitiativen, die eigene Räume bespielen. Etwa die Hälfte der 192 Mitglieder der KUPF OÖ fallen in diese Gruppe. Eine unter dieser Gruppe durchgeführte Umfrage zeigt deutlichen politischen Handlungsbedarf: Im Schnitt müssen die Kulturvereine bereits jetzt Mehrkosten von 4.700 € für Strom und Heizung für das nächste Jahr einkalkulieren. Das entspricht bereits einer Steigerung von 68 %. Dabei liegen vielen Vereinen noch keine Informationen zu den tatsächlichen Preisen im nächsten Jahr vor, weitere Kostensteigerungen werden folgen. Hochgerechnet auf alle Mitglieder der KUPF OÖ sind also bereits jetzt Mehrkosten für Strom und Heizung von mehr als 500.000 € einzuplanen. Weitere Preiserhöhungen werden diese Summe noch weiter in die Höhe treiben.
KUPF OÖ Geschäftsfüher Thomas Diesenreiter: „Ohne zusätzliche Hilfsmaßnahmen werden viele Vereine diese Mehrkosten nicht alleine stemmen können. Manche Vereine überlegen bereits, über den Winter den Betrieb einzustellen. Das Land Oberösterreich, die Stadt Linz und das Kulturministerium müssen jetzt handeln.“
Ein Festivalveranstalter, der anonym bleiben möchte, beschreibt die Situation wie folgt:
„Die gesteigerten Energie- und Rohstoffpreise zwingen uns in die Knie. Unsere Ticketpreise wurden im Januar kalkuliert, viele Rechnungen sind plötzlich 10–15 % höher wie bisher (Securities, Abwasserentsorgung,…), manche Rechnungen sogar um ein Vielfaches höher als im Angebot vom Frühling. Viele Lieferant*innen schlagen derzeit nochmal 8 % auf die Lieferkosten drauf. Wir haben noch nicht fertig abgerechnet, erwarten für unser Festival aber ein Minus von ca. € 35.000, und das trotz eines vollen Erfolgs und Erreichen des Besucher*innen Break Even. Damit sind voraussichtlich all unsere Rücklagen binnen eines Jahres futsch. Kann gut sein, dass wir in Zukunft nichts mehr veranstalten.“
Kleinere Kultureinrichtungen können die Teuerung kaum mit höheren Ticketpreisen abfedern. Denn die Besucher*innenzahlen sind bei vielen Initiativen noch nicht auf dem Vorkrisenniveau. Durch teurere Karten würde ein weiterer Besucher*innenrückgang riskiert werden. Denn angesichts der Inflation müssen auch viele Privatpersonen beim „Luxus“ Kultur einsparen. Diesenreiter dazu: „Die ohnedies unter Druck stehende Kulturszene ist in einer Doppelmühle gefangen. Ohne Erhöhung der Eintrittspreise drohen deutliche Verluste. Mit drastischen Preiserhöhungen torpedieren wir aber die langsame Normalisierung der Besucherzahlen. Wenn die Kulturpolitik nicht eingreift, wird Kultur nur noch für die Oberschicht leistbar sein. Genau das ist aber nicht der Anspruch der zeitgenössischen Kunst- und Kulturszene.“
Die Vereine fordern beispielsweise die Förderung von Investitionen in Energiesparmaßnahmen, die Unterstützung durch Energieberatungen und die allgemeine Erhöhung der Jahresförderungen, um die Teuerungen abdecken zu können. Mehrfach wird auch die Einrichtung eines Energiekostenfonds gefordert, aus dem zumindest ein guter Teil der Mehrkosten für Strom und Heizung abgedeckt werden kann. Dass gewisse Preissignale auch bei den Vereinen zum Energiesparen anregen, bleibt aus Sicht der KUPF OÖ vertretbar. Verena Humer: „Dieser Winter wird für Viele existentiell. Das betrifft natürlich auch die Freie Kunst- und Kulturszene. Bund, Land und Gemeinden müssen mit Förder-Erhöhungen und Entlastungspaketen reagieren um den Erhalt unseres Kulturlandes zu sichern. Auch der OÖ Landeskulturbeirat und die IG Kultur sehen es als unerlässlich an, dass es angesichts der Inflation und der steigenden Energiepreise eine Erhöhung der Basis-Subventionen um mindestens 15% und einen Energiefonds braucht.“
Die Hoffnungen auf einen kulturellen Neustart waren groß. Laut dem Westdeutschen Rundfunk werden in Deutschland aktuell 65 % aller geplanten Veranstaltungen wieder abgesagt, weil sich die Umsetzung finanziell nicht mehr trägt. Setzt sich dieser Trend auch in Österreich fort, droht die Energiekrise die durch die Coronakrise ausgelösten Verwerfungen weiter zu verschärfen.
Forderungen der KUPF OÖ
Die österreichische Kulturpolitik ist daher gefordert, schnell und entschlossen zu handeln, um den Kultursektor abzusichern. Sowohl Bund, Länder als auch die großen Städte müssen ihre Verantwortung wahrnehmen und folgende vier Maßnahmen aus Sicht der KUPF OÖ möglichst rasch umsetzen:
1. Lineare Erhöhung der Förderungen um mindestens 15 %
Angesichts der Inflation und der stark steigenden Energiepreise braucht es eine lineare Erhöhung der Basis-Subventionen um mindestens 15 %. Dies muss in den derzeit laufenden Budgetverhandlungen des Landes OÖs, der Städte wie Linz und des Kulturministeriums berücksichtigt werden. Für das Land OÖ findet diese Forderung auch die Unterstützung des offiziellen Landeskulturbeirats.
2. Extraförderungen für gestiegene Energie/Mietkosten
Hinzu kommen muss ein Energie- und Mietkostenfonds, der vor allem die exorbitant steigenden Energie- und Mietkosten zu 75 % ausgleicht und der für alle Kulturbetriebe offen ist. Denkbar wäre hier die Einrichtung eines größeren Fonds, der sowohl vom Bund als auch von den Ländern finanziert wird. Eine Öffnung des von Wirtschaftsminister Kocher gestern angekündigten „Energiekostenzuschusses für Unternehmen“ für gemeinnützige Organisationen ist zu prüfen.
3. Investitionsprogramm zur Energieoptimierung
Dringend benötigt wird zudem ein Investitionsprogramm zur Energieoptimierung bei Kulturhäusern – vor allem jene, die sich im öffentlichen Besitz befinden. Die Maßnahmen reichen von Dachbegrünungen, optimierter Dämmung, bis hin zu Solar- und Photovoltaikanlagen, Umrüstung auf LED Scheinwerfer oder der Installation von Wärmepumpen.
4. Indexierung der Mehrjahresförderverträge
Viele Gebietskörperschaften bieten größeren Vereinen mehrjährige Förderverträge an. Während dies in der Regel zu begrüßen ist, werden leider die meisten Förderverträge während ihrer Laufzeit nicht inflationsangepasst. Beispielsweise hat die Stadt Linz erst im Jänner 2022 dreijährige Förderverträge verhandelt, die nun bis Ende 2024 gelten. Angesichts der aktuellen Inflationsentwicklung werden diese Förderungen am Ende der Periode um 20%-25% weniger wert sein. Daher sollen alle mehrjährigen Förderverträge automatisch indexiert werden.
Übergewinnsteuer – aber nur für Kulturvereine: Bund muss Rückforderungen stoppen
Angesichts der angespannten Situation im Kulturbereich sind jüngste Schritte des Kulturministeriums umso unverständlicher: Mehrere Mitglieder der KUPF OÖ haben in den letzten Monaten Briefe bekommen, in denen das Kulturministerium Förderungen aus den Jahren 2020 und 2021 zur Gänze zurückgefordert hat. Das Ministerium argumentiert hier, dass die Vereine „zu hohe Gewinne“ gemacht haben, die es nun abschöpfen möchte. Während also bei den Coronahilfen für gewinnorientierte Unternehmen entstandene Gewinne bewusst nicht abgeschöpft werden, und auch die Übergewinne in der Energiebranche nicht angetastet werden, sollen nun ausgerechnet bei den gemeinnützigen Vereinen Gelder zurückgezahlt werden.
Verursacher dieser Zufallsgewinne ist bei den meisten betroffenen Vereine der Umsatzersatz des Bundes. Dieser wurde kurz vor Jahresende überwiesen, das Geld konnte aufgrund des Lockdowns auch nicht mehr ausgegeben werden. Die bei manchen Vereinen hohe Buchgewinne wurden in allen Fällen für Rücklagen verwendet und in den Folgejahren wieder widmungsgemäß für den regulären Kulturbetrieb aufgewendet. Denn während Gewinne bei gewinnorientierten Unternehmen in der Regel den Eigentümern ausbezahlt werden, müssen diese bei gemeinnützigen Vereinen immer im Betrieb verbleiben. Die Rückforderungen des Bunds stellen die Vereine also vor das Problem, dass sie Geld zurückzahlen sollen, das sie bereits widmungsgemäß für ihre Kulturarbeit verwendet haben. Besonders betroffen sind beispielsweise die österreichischen Programmkinos, die immer noch mit einem Minus von 30-40% bei den Besucher*innen zu kämpfen haben.
Die KUPF OÖ fordert das Kulturministerium auf, diese nur intern erlassene Richtlinie dringend zu reparieren und auf die angekündigten Rückforderungen zu verzichten. Dementsprechende Vorschläge zur Reparatur der Richtlinie hat die KUPF OÖ dem Ministerium bereits übermittelt. Dazu abschließend KUPF OÖ Geschäftsführer Diesenreiter: „Sollten das Kulturministerium tatsächlich Geld von unseren Mitgliedern zurückverlangen, werden wir sämtliche rechtliche Möglichkeiten prüfen. Aus unserer Sicht ist es ein klarer Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot, dass hier gemeinnützige Vereine schlechter behandelt werden als gewinnorientierte Unternehmen. Die Richtlinie verstößt aus unserer Sicht weiters gegen das Sachlichkeitsgebot. Das Kulturministerium müsste wissen, dass die Kulturvereine gerade jeden Cent brauchen, um die Betriebe aufrecht zu erhalten. Wir erwarten uns hier eine Überarbeitung der internen Richtlinien und das richtige Augenmaß bei den Abrechnungsprozessen.“