Kollektive Kunst mit echtem Lifeblood

Über das Stadtwerkstatt-Projekt Bloodproof of Life und eine kollektive Blutabnahme als Medienkunstspektakel schreibt Tanja Brandmayr. 

Die Linzer Stadtwerkstatt (STWST) entwickelte 2023 den Bloodproof Of Life – als kollektive Kunstaktion mit echtem Herzblut. Das Format wurde während der Ars Electronica 2023 umgesetzt und provozierte zahlreiche Rückmeldungen. Auf Leuchtschildern und per Laufschrift fragte die STWST: “Are you real?”, “Lebt dein Leben?” Denjenigen, die sich von der Frage “Want your Lifeblood back?” oder der Ansage „Die Stadtwerkstatt gibt dir dein Herzblut zurück – Komm und hol es dir!“ angesprochen fühlten, schlug das Projekt den nächsten Schritt vor: “Please Register!”

Das Prozedere

Inmitten eines Settings, das vom „schlagenden humanistischen Herzen“ handelte, erwartete die Teilnehmenden ein Komitee an Menschen. Ärzte nahmen den Blutspendenden die geringe Menge von 4ml Blut ab. Die Blutabnahme wurde durch Vertreter:innen der Stadtwerkstatt überwacht und administriert, die Ampulle Blut verschlossen. Das Prozedere wurde von einer zusätzlichen Kulturinitiative, der Netzkulturinitiative servus.at, assistiert und bestätigt. Gemeinsam wurde versiegelt. Eine Blockchain alias Hash-Chain speiste den digitalen Proof of Life ein. Dann wurden die Spender:innen vor eine Kamera gebeten, die die Teilnahme, die Echtheit der Ampulle Blut, die Echtheit des Hash-Codes und letzten Endes die Echtheit der Menschen festhielt und bestätigte. Nach diesem Mehrfach-Proof, also einem Proof von Leben und aller teilnehmenden Instanzen und Schritte, bekamen die Teilnehmer:innen ihre  Ampulle Blut zurück – mit den Sätzen: “Die Stadtwerkstatt gibt dir dein Herzblut zurück” und: “Your Lifeblood is now an Object.” Unter Applaus wurde das eigene, kurz zuvor abgezapfte Herzblut zurückgereicht – im behaupteten Gegenzug für alles, was einem das Leben zuvor abgenommen hatte. 

Herzblut und Ressourcen

Herzblut bzw. Lifeblood wurden innerhalb des gesamten Projektzusammenhangs nie vollständig ausdefiniert, aber deutlich eingegrenzt: „Es geht um Herzblut als Ressource, um innere Betriebssysteme des Engagements, um ein Manifest gegen die schlagenden und zerschlagenden Kräfte des Kapitalismus“, oder: „um ein Gegen-Phantasma im kalten Transhumanismus.“ Und ganz persönlich adressiert: „Das Leben nimmt dir jeden Tag Herzblut ab. Sag uns, was dir von wem genommen wurde, von der Welt, ihren Kapriolen und Katastrophen, von deinen Freunden, dem Job, Google, Amazon, Microsoft – oder auch der STWST oder deinem eigenen Oasch-Kulturverein selbst. Alle wollen dein Herzblut … und WIR geben es dir zumindest an diesen beiden Tagen wieder zurück.“ Es ging um die innere Basisressource des Lebens, um das kämpferische Lifeblood. Denn dahinterliegende Themen waren, größer gefasst, die Administrierung von Leben, die Extraktion der besten Teile des Menschen, seiner Daten etwa, oder die technologisch-gesellschaftlichen Regimes. Reflektiert wurde ein Widerstand gegen all dies – ein Widerstand, der oft mit Idealismus beginnt und gern in Selbstausbeutung ausblutet.

Objekte und Verträge

Das hochgradig aufgeladene Material, Blut als Inbegriff menschlichen Lebens, wurde sowohl in Kitsch als auch Archaik großzügig umschifft: Statt in triefenden Symbolismus oder Weltfremdheit abzugleiten, beschäftigte sich die STWST mit dem Wert von Blutkonserven und nahm Kontakt zum Roten Kreuz auf. Die Thematik wurde permanent in Bewegung gehalten und mehrfach abstrahiert: Finally transformierte die STWST das in einem Mehrfach-Proof abgezapfte und „zurückgegebene“ Lifeblood zum zertifizierten Blut-zu-Kunst-Objekt, machte also die Spender:innen durch Teilnahme und Extraktion kurzerhand zu Künstler:innen und zum Teil einer kollektiven Kunstedition. Um das Objekt in einem weiteren transformativen Kunstgriff für den eigenen Zusammenhang markttauglich zu machen (Blutkonserven werden immerhin auch gehandelt), wurde ein neuer Wert generiert: Das eigene Lifeblood als Object wurde für eine spekulativ angelegte Verkaufsmöglichkeit am Kunstmarkt hergerichtet, konnte als Teil einer Kunstedition potenziell zu Geld gemacht werden: Prozedere, Instanzen, das Red Paper der Kunstaktion, Bedingungen und auch Bindungen wurden zuvor von der STWST ausgegeben. Diese Inhalte wurden im Zuge eines umfangreich auszufüllenden Fragebogens von den Teilnehmenden unterschrieben. Das war Bedingung für Teilnahme und Eintritt zum Bloodproof-Prozedere. Das Vertragswesen war Bestandteil. Die Papiere hat die STWST einbehalten.

Werte der Kunst

Dieser Turn ist auch eine provokante Fragestellung nach den Werten der Kunst selbst, einer Kunst, die als Versprechen immer wieder die bessere Welt für alle oder ultimative moralische Wertmaßstäbe mit sich führt. Auf vielerlei Ebenen handeln die Akteur:innen der Kunst aber eigennützig. Kunst ist oft konventionell – oder von vorneherein marktorientiert produziert, digital oder nicht digital. Ob nun Neue Medien, Kunst oder anderer bloody Shit: Mit dem Bloodproof sind auch Referenzen zu Objekten wie zu Merda d’artista von Piero Manzoni vorhanden, zur so genannten Scheiße des Künstlers und anderer Kunst, die den Weg von der Avantgarde in die Auktionshäuser gemacht hat. Piero Manzoni hatte 1961 seine Fäkalien in Dosen verpackt. Anders als bei Merda d’artista wird der Besitzer von Kunst aber hier nicht zum Besitzer von fremder Scheiße, und verhandelt somit so etwas wie Konsumkritik, sondern ist in Besitz seiner eigenen objekthaft extrahierten Lebens-Essenz gekommen. Die STWST-Kunst macht hier sozusagen den Menschen und seinen inneren Kern zur Ressource, zum Material und zum Medium. Die provokante Ansage in diesem Zusammenhang wäre dann, dass auf Fragen wie „Was ist Leben?“ der Kunstmarkt eine Antwort geben soll – wenn es sonst schon niemand kann. Aber: Kann der Kunstmarkt das? 

Finally

Die Blutabnahme inklusive Mehrfach-Proofs fand in der Werkstatt der STWST statt – neben Kreissäge, Werkbank, Metall und Materialchaos. Die Ärzte waren begeistert, der Zulauf ununterbrochen. Im Anschluss meldete sich eine Anwaltskanzlei, die im Verkaufsfall juristisch beraten würde wollen.

Bloodproof of Life: Das STWST-Projekt zur inneren Basisressource Engagement und zur Echtheit unserer aller Leben: Die STWST gibt dir dein Herzblut zurück! Einladung zur kollektiven Blutabnahme und Teilnahme an mehreren Proof-Prozederes per Real Check, Video und Blockchain/Hashchain. Mit dabei waren Künstler:innen, kritische Produzent:innen, Mediziner, allerlei Kulturleute und 90 Teilnehmende. 

Umsetzung: STWST, 2023, mit Support von servus.at, im Rahmen der Ars Electronica. 

Bloodproof of Life, Part Videoproof und Art-Edition: AMRO, Mai 2024 und STWST 2024, im Rahmen der Ars Electronica. 

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