Kulturszene enttäuscht vom Vorgehen der Landespolitik
„Wenn, dann sterben wir einen lauten Tod“
Die Analyse des Rechnungsabschluss 2018 zeigt erstmals auf: Oberösterreichs zeitgenössische Kunst- und Kulturszene wurde im Budgetvollzug noch stärker gekürzt als ursprünglich geplant. Nachdem 17.240 BürgerInnen die Petition „Rettet das Kulturland OÖ“ unterzeichnet hatten, legte die KUPF OÖ konkrete Maßnahmen zur Sicherung des Kulturlands OÖ vor. Doch die Details des Rechnungsabschluss zeigen, dass selbst die wenigen vom Land OÖ gemachten Zusagen nicht eingehalten wurden. Oberösterreichs Kulturszene zeigt sich enttäuscht vom Vorgehen der Politik.
Wir erinnern uns: Im Herbst 2017 wurde erstmals publik, dass das Land OÖ große Kürzungen bei den Kulturförderungen plant. Die kurzfristig von der KUPF OÖ und weiteren Kulturverbänden angesetzte Petition „Rettet das Kulturland OÖ“ wurde innerhalb weniger Wochen von mehr als 17.000 Personen unterzeichnet. Trotz der breiten Kritik von Kulturschaffenden, KünstlerInnen, des Landeskulturbeirats und einer breiten Bevölkerung wurden die Kürzungen im Dezember im Landtag unverändert in vollem Umfang beschlossen.
In Folge wurden zwei runde Tische mit dem Landeshauptmann und dem Landeskulturdirektor organisiert. Dort haben die KUPF OÖ und Interessenvertretungen IG Bildende Kunst, IG Freie Theater, die Grazer Autorinnen Autorenversammlung und die HochschülerInnenschaft Kompromissvorschläge und einen Pakt zur Sicherung des Kulturlands OÖ vorgelegt. Dieser beinhaltete konkrete Maßnahmen zur Sicherung der kulturellen Infrastruktur, zum Erhalt und Ausbau der kulturellen und künstlerischen Qualität und zum Erhalt der kulturellen Vielfalt und Erweiterung des kulturellen Angebots. Auf das Budget bezogen wurde eine schrittweise Erhöhung des Förderbudgets um 5,2 Millionen € gefordert.
Leider wurden der Pakt und der Großteil der Vorschläge beim runden Tisch abgelehnt. Als eines der wenigen Zugeständnisse wurde aber vereinbart, dass die 2017 in den einzelnen Förderbereichen gebildeten Rücklagen 2018 verwendet werden, um die Kürzungen zumindest abzufedern. So wäre es de facto möglich gewesen, auf einen Großteil der Kürzungen bei den zeitgenössischen Kunst- und Kulturinitiativen und den KünstlerInnen zu verzichten.
Diese Zusage wurde bedauerlicherweise nicht eingehalten, wie folgende Auswertung des Rechnungsabschlusses 2018 zeigt:
In der Spalte „Rechnungsabschluss 2018“ ist ersichtlich, dass erstens entgegen dem Voranschlag weitere 200.000 € an Förderungen nicht ausbezahlt, also de facto weiter gekürzt, wurden. Die Differenzen in den einzelnen Bereichen ergeben sich laut dem Land OÖ durch die Umbuchung einzelner Förderwerber in andere Kategorien. In den Fußnoten des Rechnungsberichts wird das große Minus beim Posten „Regionale Kulturinitiativen“ weiters damit begründet, dass nicht mehr alle Förderanträge im Jahr 2018 vom Land bearbeitet wurden. Im Übrigen ein weiterer Beleg für die Kritik der KUPF OÖ an der absurd langen Bearbeitungsdauer der Förderanträge. Allerdings wurden in diesem Bereich auch keine neuen Rücklagen für ausstehende Förderanträge gebildet – das bedeutet, dass diese im Folgejahr aus dem regulären Budget bezahlt werden müssen, was die verfügbaren Mittel in jenem natürlich weiter senken wird.
Die gekürzten Übertragsmittel
In Bezug auf die sogenannten „Übertragsmittel“ aus 2017 zeigt sich zweitens, dass diese zwar im Förderbudget aktiviert, dann aber eben nicht für die ursprünglichen Förderbereiche verwendet wurden. Diese 1,02 Mio. € wurden im Budgetjargon für „finanzielle Ausgleiche“ verwendet, sprich, in andere Budgetbereiche verschoben um dort andere Löcher zu stopfen. „Es ist unverständlich, warum das Land OÖ trotz vorhandener finanzieller Mittel seine Kulturvereine kürzt und ihnen damit schadet. Dies kann nur noch als Willkür oder im schlimmsten Fall als gezielte Schwächung des zivilgesellschaftlichen Engagements der Kulturszene gesehen werden“, so KUPF Geschäftsführer Thomas Diesenreiter und weiter :„Und auch der Landtag muss sich die Frage stellen, warum von ihm beschlossene Budgets in so drastischer Weise nicht eingehalten werden. Der Landtag hat 2017 und 2018 klar höhere Ausgaben für die Kulturförderung vorgesehen, die aber von der Landesregierung trotz des offensichtlichen Bedarfs der Kulturszene nicht zugewiesen wurden.“
In welchen Bereichen das ursprüngliche Budget ebenfalls, aber in die andere Richtung, nicht eingehalten wurde, zeigt die folgende Grafik:
Während also im Budgetvollzug bei den zeitgenössischen Kulturförderungen noch stärker als geplant gekürzt und Rücklagen unterschlagen wurden, haben die großen Häuser abermals mehr als geplant ausgegeben. Die Zahlen des Budgets gelten offensichtlich für das Land OÖ nur dort, wo es selbst nicht betroffen ist. „Wie soll man einem Kulturverein erklären, dass eine Kürzung seines Vereins zwingend notwendig war, während das Land OÖ bei seinen eigenen Institutionen Millionen an ungeplanten Mehrausgaben ausweist?“, so KUPF Geschäftsführer Thomas Diesenreiter. „Hier zeigt sich abermals die Willkür des Landes im Kulturbereich: Die einen werden ohne Not gekürzt und gekürzt, während für die eigenen Betriebe die Vorgaben nach Belieben gebrochen werden.“
Die stetig sinkenden Ermessensausgaben
Die KUPF OÖ begrüßt prinzipiell die Ausstattung der öffentlichen Kultureinrichtungen mit den notwendigen Budgets, fordert aber gleiches Recht für alle: Während es bei den öffentlichen Einrichtungen normal ist, dass die inflationsbedingt steigenden Kosten für Infrastruktur, Personal, usw. abgegolten werden, sind die Zuwendungen an die unabhängigen Kultureinrichtungen in den letzten beiden Jahrzehnten sogar gekürzt worden. Das führt dazu, dass mittlerweile ganze 93,5% des Kulturbudgets in die eigenen Häusern gehen, und für die gesamte restliche Kulturszene, von der Blasmusik, zur Volkskultur, zur zeitgenössischen Kunst und Kultur bis hin zu den Gemeinden und Kultus nur noch 6,5% Ermessensausgaben übrig bleiben.
Die Förderung der gesamten zeitgenössischen Kunst- und Kulturszene liegt nur noch bei 2,5% des Kulturbudgets, der niedrigste Wert seit dem Beginn der KUPF Budgetanalysen. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 gingen noch ganze 6,4% des Kulturbudgets in die Förderung der zeitgenössischen Kunst und Kultur. Verena Humer, stellvertretende Geschäftsführerin der KUPF, kritisiert, „dass sich so das Land OÖ auch selbst jede Möglichkeit nimmt, Neues und Innovatives zu fördern. Kulturförderungen sind keine Spende. Das Budget der Kunst- und Kulturförderung ist dazu da um unsere Gesellschaft lebendig zu halten. Aus Sicht der KUPF müssen bestehende Qualitäten wie Vielfalt, Eigenständigkeit und offene Begegnungsräume sowie sichere Strukturen für die freie Szene weiter ausgebaut werden.“
Auswirkungen der Kürzungen im Kulturbereich
Viele der oberösterreichischen Kulturinitiativen mussten letztes Jahr Kürzungen zwischen 10% und 20% ihrer Jahressubventionen hinnehmen. Die Folge war eine Reduktion des kulturellen Angebots, stärkere Zugangsbarrieren in Form von höheren Eintrittspreisen sowie eine weitere Verschärfung der prekären Produktionsbedingungen von Kunst und Kultur. „Die KAPU wurde 2018 gleich um 20% gekürzt. Die Folge ist, dass wir einerseits Eintritte erhöhen mussten. Und andererseits wurde es deutlich schwieriger für uns, experimentelle oder unbekannte Bands auf die Bühne zu stellen, denn das finanzielle Risiko ist ja gestiegen.“, so Sarah Praschak, Vorstandsmitglied des Linzer Kulturvereins KAPU. Günther Ziehlinger, stellvertretender KAPU-Geschäftsführer pflichtet ihr bei: „Die Folgen diesen Kürzungen betreffen also besonders junge KünstlerInnen. Wie soll hier noch neues entstehen, wenn die Förderung junger MusikerInnen kaum noch möglich ist? Wenn man als Kulturverein eigentlich nur noch etablierte Bands bringen kann, um zu überleben?“
Auch das Kulturzentrum RÖDA aus Steyr wurde 2018 empfindlich gekürzt. Betrug der Programmzuschuss 2017 ohnedies bereits geringe 43.500 €, so wurde dieser Betrag im vergangenen Jahr auf 37.000 € zusammengestrichen, ein Minus von 15%. Dazu Geschäftsführer Thomas Kern: „Kulturinitiativen wie wir eine sind die Mittel zu kürzen, bedeutet auch einer Nachfolgegeneration an noch nicht etablierten Kunst- und Kulturschaffenden einen Raum zur Entfaltung zu nehmen. Das ist traurig und kurzsichtig. Durch Privatkredite den Kulturbetrieb aufrecht erhalten zu können ist leider auch bei uns mittlerweile gängige Praxis, sollte aber nicht notwendig sein. Es muss dieser Entwicklung in der Politik entgegengewirkt werden.“
Diesenreiter fasst zusammen: „Das Land OÖ hat mit diesen Kürzungen nicht nur seine eigene Kulturszene massiv geschwächt, sondern in der Folge auch das kulturelle Angebot für die Bevölkerung reduziert. Damit wird der verfassungsmäßige Auftrag des Landes, seine Bevölkerung mit Kulturangeboten zu versorgen, sträflich vernachlässigt. Besonders die Diversität des kulturellen Angebots leidet.“
Wichtig ist in diesem Kontext zu sehen, dass die Kürzung der Förderung in Kombination mit der Inflation seit Jahren zu einem drastischen Verfall des Werts der zeitgenössischen Kulturförderung führt. Der Wert der zeitgenössischen Kulturförderung liegt nur noch bei 50% des Jahres 2001, wie die KUPF bereits mehrfach belegt hat. In der gleichen Zeit sind die Ausgaben für die öffentlichen Kulturinstitutionen deutlich über der Inflationsrate gestiegen:
Um diese Lücke auszugleichen und zumindest die Inflation auszugleichen, braucht es 5,2 Mio. € an neuen Mitteln für die Kulturförderung wie die KUPF OÖ einfordert.
Wie geht es weiter?
Mit diesen Fakten konfrontiert, hat die Landeskulturdirektion der KUPF einen weiteren Gesprächstermin Ende September angeboten, den die KUPF natürlich gerne annimmt. Es ist aber nach der ersten Kommunikation davon auszugehen, dass sich beim Land OÖ noch kein Problembewusstsein für die dramatische Lage der oberösterreichischen Kulturvereine und KünstlerInnen gebildet hat.
Aus diesem Grund plant die KUPF neue Kampfmaßnahmen gegen diese Politik des Aushungerns des Kulturlandes OÖ. Details dazu werden im Herbst bekanntgegeben. „Oberösterreichs Kulturland ist bedroht wie nie. Aber eines garantieren wir: Wenn, dann sterben wir einen lauten Tod“, so KUPF Geschäftsführer Thomas Diesenreiter.
Rückfragehinweis: Thomas Diesenreiter, 0664 / 78 24 525