Innovationstopf 2000

60:20:15 (2) oder: Aufgefangen im Netz. Persönliche Gedankennetze zur Jury-Sitzung des KUPF-Innovationstopfes 2000 im Kunst Raum Goethestraße

 

von Maren Richter

Zum fünften Mal wurde der Kupf-Innovationstopf ausgeschrieben: Das jährliche Angebot der KUPF, Ideen und Konzepte zu fördern, die durch das übliche Fördernetz fallen, die kritisches Potential enthalten, die längerfristige Kulturarbeit intendieren. Der diesjährige KUPF-Innovationstopf 2000 stand unter dem Motto „den Begriff Netzwerk zu entzaubern und den Informations-, Güter-, Dienstleistungs- oder Menschentransfer, der über Netzwerke geschieht, zu entmystifizieren.“ Netze, Netzwerke, Vernetzungen jeder Art konnten eingereicht werden. „Zentral kann dabei sein, welche Formen von Kommunikation in welchen unterschiedlichen Kanälen zwischen wem aufgebaut sind, und welche Dynamiken Ð wie z.B. die noch immer aktuellen frauenausschließenden Männerbünde Ð dabei entstehen. Diese offen zu legen, sichtbar zu machen, sie zu präsentieren, ist eine Möglichkeit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, … ist eine Möglichkeit für ein Projekt oder Konzepteinreichung …“ (Ausschreibung) Es scheint eine Ironie des Schicksals zu sein. In einem Moment, da Kulturschaffende (Gruppen, Einzelpersonen oder neu entstandene Bündnisse) im gesamten Land im Sinne der Mobilisierung einer zivilen Gesellschaft beweisen, ihre kritische Haltung vernetzten zu können (20 E-mails täglich, die informieren, intervenieren oder insistieren, sind in der aktuellen Situation das Minimum, das es aufzuarbeiten gibt). Netzwerke, die nicht nur diskursiv reagieren, sondern vor allem agieren. In Mitten dieser Lage trat am 22. Februar eine Jury zusammen, die 60 Netzwerke auf ihre „innovativen Vernetzungen“ hin beurteilen sollte. Auch wenn der Innovationstopf nur einen kleinen Teil abdecken kann, besteht mehr denn je die Notwendigkeit, Netze als Zeichen für Kommunikation, Zusammenarbeit, Interaktion, Information und Integration zu dotieren und zu honorieren. Zugegeben kann eine Million die Bedürfnisse der oberösterreichischen Kulturarbeit nur geringfügig abdecken, dennoch kann sie als Basis betrachtet werden …

60:20 oder: Teil I der Jurysitzung

Wie schon letztes Jahr wurde auch heuer die Jurysitzung im Kunst Raum öffentlich abgehalten: um dadurch Entscheidungen transparent werden zu lassen und aus konzeptionellen oder formalen Fehlern lernen zu können, aber auch angedachte Verschwörungstheorien zu verwerfen. 10 Uhr morgens: Eine 1,1 Mio. Schilling-Spannung steht im Raum. Gefördert werden sowohl Personal- als auch Sachkosten im Kontext der Projekte. Erstmals werden im Rahmen des KUPF-Innovationstopfes auch Konzepte mit Preisen ausgezeichnet. (à 20.000.-) Die selbst auferlegte Entscheidungskriterien der Jury: Vernetzung als Thema, Nachhaltigkeit, kultur-, demokratie- und sozialpolitische Relevanz, kulturelles Umfeld, Innovation, Frauenanteil, freischaffende Projekte, politische Projekte und Geschlechterverhältnis. Die Projekte werden vorgestellt von Andi Wahl und Susanne Blaimschein (im Sinne der bewährten Berichterstattung in Doppelconference). Jede Projektvorstellung endet mit der pragmatischen Frage „Geht das Projekt weiter?“. Jury-Mitgliedshände sind zu heben. Hand steht für ja. Keine Hand für nein. Selten heben sich Hände. Die Pragmatik greift auf mich über. Ich beginne eine Handstatistik. Hand Gabi Gerbasits und Hand Cornelia Klammer heben sich mehrmals gemeinsam. Hand Rudolf Gurtner ist oft alleine, aber dafür um so vehementer. (Ein Einwurf von Irmgard Klammer „Die anderen zeigen überhaupt nie auf“) Ende 1. Runde: 2/3 sind weg. 20 Projekte gehen in die zweite Runde. 3 Millionen stehen gegen 1,1 Millionen. Kurzanalyse der Runde I: Kulturpolitische Netze wurden stark berücksichtigt. Schön. Einigkeit herrschte bei sozialen Netzen: selten gingen fünf Hände auf einmal hoch, bei sozialen Netzen kam es zuweilen dazu. Gut. Gesellschaftspolitische Netze von und für Minderheiten im Sinne eines Ausgrenzungsabbaus politischer und soziale Ränder fanden großen Anklang. Sehr Gut. Nur-Spaß-Netze hatten keine Chance, selbst ein zwischenzeitlicher Einwurf eines Jurymitglieds „Warum kann ich nicht für ein Projekt einstehen, daß mir einfach Spaß macht“ war keine Argumentationsgrundlage. Kritikgenerierter Spaß schon eher. Einpersonen-Netzwerke – no comment. Als Netzwerke getarnte Ausstellungen ebenso no comment. Vor allem neu sollten sie sein, die Netzwerke, institutionsunabhängig Ð also eher „Spurensuche: Netzwerk“ und eher gesamtgesellschaftlich vermittelnd. Gegenöffentlichkeiten forcierend. Kritikfähigkeit erzeugend. Frauen-Netzwerke waren hier sicher maßgeblich. Doch wo blieben die (zugegeben vordergründig weniger spektakulären) regionalen Netzwerke? Jene, basierend auf Erfahrungen, die den Bedürfnissen eines regionalen Raumes entsprechen? Kaum wurde eines jener Regionen-Netzwerke als förderungswürdig erachtet. Kein Perg, Steyr, Freistadt, Engerwitzdorf, Großramming usw. Ð Die müssen von den Gemeinden unterstützt werden, so die Jury Ð Was ist, wenn nicht? Dies sind die Momente, wo man sich wünscht, mitsprechen zu dürfen. Musik-Netze hatten es ebensowenig einfach. Bisweilen war die erste Runde Hände-hoch für die zuhörenden ProjekteinreicherInnen unbefriedigend. Allerdings auch für die Jury: Der Vorschlag, nächstes Mal zumindest eine schriftliche Argumentationsmappe für die ProjekteinreicherInnen vorzulegen, die die erste Händerunde transparent machen soll, wurde nach dem Sitzungstag vorgebracht.

Runde II + III: 20:11+3+1

Im zweiten Teil (nach einer Pause) steigt die Spannung. Die Jury teilt ein in „Kann-Projekte“ und in „Muß-Projekte“. Endlich wird gesprochen. Erstmals prallen Argumente aufeinander und manchmal wird aus einem „Kann“ ein „Wenn ihr die kennt, und sagt, die schaffen das, dann mach ich doch ein „Muß“ daraus“. Oder aber selbst auferlegte Auswahl-Kriterien der Jurymitglieder werden auf die Probe gestellt. „Ich zwinge mich dazu, es gut finden zu müssen.“ Zwischenergebnis: 11 „Muß“, 9 „Kann“. Nach Überprüfung der finanziellen Bedürfnisse (Braucht das Projekt die gesamte angeforderte Summe? Sind das realistische Zahlen? usw.) stand fest, es kann aufgestockt werden: 15 Projekte werden gefördert, und 2 Konzeptpreise vergeben.

Resümee: So viele Projekte in der ersten Runde auch durchgefallen waren, so ist es um so erstaunlicher, daß man es schaffte, insgesamt 17 Projekte unterstützen zu können. Im Netz aufzufangen, somit.

Die ausgewählten Projekte

Eine fünf-köpfige Jury (Gabi Gerbasits Ð Geschäftsführerin IG Kultur Österreich; Rudolf Gurtner Ð Erfinder Maschinenring; Irmgard Klammer Ð Medientheoretikerin; Birge Krondorfer Ð Frauennetzwerkerin; Oliver Marchart Ð Philosoph und Kulturtheoretiker) haben folgende Projekte zur Förderung empfohlen:

CONTENT INVESTIGATION: 100.000,- Alternative Presseagentur für Medienprojekte, die sich an eine „Öffentlichkeit“ und nicht an den Markt wenden.

NETZWERK MEDIENPÄDAGOGIK: 107.000,- Vermittlung von Medienkompetenz im außerschulischen Bereich, in Zusammenarbeit mit Uni, Schulen und Erwachsenbildungseinrichtungen.

RÖD@ & KV KRAFTWERK: 50.000,- Arbeitsplatz zur Koordination von Frauenprojekten

LABOR III: 80.000,- In angemieteten Räumen werden für die „LaborantInnen“ Projektfelder eröffnet, in denen Austauschmöglichkeiten, Experimentierlust und ForscherInnengeist ausgelebt werden können.

Forum gegen Vergessen: PROJEKT AUSCHWITZ: 40.000,- Wanderausstellung über das ehem. Konzentrationslager Auschwitz- Birkenau.

ARGE Obdachlose: KUPFERMUCKÕN: 100.000,- Die Straßenzeitung „KupfermuckÕn“, von Randgruppen und sozial Benachteiligten, ist ein Angebot zur Selbsthilfe für Wohnungslose und Menschen, die an und unter der Armutsgrenze leben.

AFTER AIDS: Frühstücksbrunch: 42.000,- Vernetzung und Erfahrungsaustausch zwischen Menschen mit HIV/Aids durch einen regelmäßigen Brunch und eigenen Radiosendungen.

Christina Leyerer: WIE, WO, WAS …: 50.000,- Sammlung von 50 Kochrezepten und Dokumentation des dazugehörigen Umfeldes. Als Ergebnis wird ein Katalog präsentiert.

Claudia Berger: ASCHENBRÖDL: 24.500,- Ein unabhängiges Frauen-Netzwerk deckt Mißstände Ð z.B. bei der Fördervergabe/Transparenz Ð auf und macht diese öffentlich.

Rudolf Habringer: NETZWERK MEMORIA: 150.000,- Erinnerungsmaterial des 20. Jahrhunderts (aus dem Alltag, von Randgruppen, gesellschaftlich Benachteiligten) wird gesammelt und künstlerisch/ wissenschaftlich ausgewertet.

Alexander Osman: NETZWERK DER FUNDIS: 60.000,- Durch eine Video-Dokumentation des alltäglichen Lebens von Muslimen in Österreich werden Verschwörungstheorien über das Netzwerk der islamischen Fundis entkräftigt.

Andreas Burghofer: KURDISCH-TÜRKISCHE FRIEDENSBRÜCKE: 45.700,- Der Bau einer Friedensbrücke aus Recycling-Material soll KünstlerInnen, NGO-AktivistInnen und Bevölkerung zusammenbringen, um im türkisch-kurdischen Konflikt die Anliegen von Menschenrechtsaktivitäten einzubringen.

Widerstandsmuseum Ebensee: ORIENTIERUNG: 40.000,- Mittels einer Vernetzung von Vereinen und Institutionen, die sich in erster Linie mit der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigen, soll historische Vermittlungsarbeit durch Anbindung an das WWW erfolgen.

Verein Maiz: SAMBASCHULE: 80.000,- Das Projekt Sambaschule soll u.a. Raum für Zusammenarbeit zwischen MigrantInnen und ÖsterreicherInnen bieten. Mit den Mitteln des Samba werden politische und kulturrelevante Themen bearbeitet.

Kult-ex/das kollektiv: eiPCP Ð european institute for Progressive Cultural Policies: 80.000,- Progressive Kulturarbeit in Form einer Kritik an und Entwicklung eines neuen Diskurses über Kultur, europäische Kulturpolitik, Identitätspolitik, Förderungsprogramme von unten, jenseits der durch technokratischen Verwaltungsstrukturen gekennzeichnet EU.

Konzeptpreise:

VSG/Susanna Rothmayer:Stadtteilzeitung Frankviertel: 20.000,- Stadtteilzeitung, die in Zusammenarbeit von interessierten Vereinen (Jugendzentrum, Streetwork, VHS, …) und BewohnerInnen aus dem Franckviertel.

Stefan Bruneder: Netzwerke: 20.000,- Musik-Tournée durch 9 Hofer-Märkte, um den Einkaufenden Gelegenheit/Anregung zur Kommunikation zu bieten.

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