Ausnahme, die die Regel erschafft

Leonhard Dobuschs Netzkolumne

Wer sich medienkompetent im Internet bewegt, Meme bastelt, Videos teilt und ein Blog oder ein Wiki betreibt, kommt automatisch regelmäßig mit dem Urheberrecht in Konflikt. Selbst wer nur ein einziges Standbild eines Films mit einer witzigen Überschrift versieht und als „Mem“ auf den Blog stellt, hat damit schon das Urheberrecht verletzt. Bagatellklausel gibt es im europäischen Urheberrecht keine. Ganz allgemein gilt, dass ohne Rechteklärung bei der Nutzung fremder Werke alles verboten ist, was nicht explizit und ausnahmsweise erlaubt ist: „Alle Rechte vorbehalten.“

Gerade weil das Urheberrecht so stark und umfassend schützt, ist es von großer Bedeutung, was vom Urheberrecht erfasst ist. Bloße Ideen lassen sich beispielsweise nicht urheberrechtlich schützen, nur ihre konkrete Umsetzung als Buch, Bild oder Film. Und manche Nutzungsweisen wie Satire oder Zitate sind, in engen Grenzen, durch Ausnahmen auch ohne Rechteklärung erlaubt. Wenn jetzt im Zuge der anstehenden EU-Urheberrechtsreform die Einführung einer eigenen Ausnahme für Text- und Data-Mining diskutiert wird, dann sieht das auf den ersten Blick vernünftig aus. Wer im Internet legal verfügbare Text- und Datenbestände statistisch auswerten möchte, soll dafür nicht Urheberrechte klären müssen.

Und dennoch ist der Vorschlag keineswegs ungefährlich. Denn es ist überhaupt nicht klar, dass sich statistische Analysen überhaupt urheberrechtlich untersagen lassen. Tatsächlich ist es so, dass Text- und Data-Mining heute völlig ohne Rechteklärung passiert. Wenn jetzt aber die EU-Kommission die Einführung einer Ausnahme vorschlägt, wonach Forschungseinrichtungen Text- und Data-Mining betreiben dürfen, dann würde das im Umkehrschluss bedeuten, dass alle anderen künftig Rechte klären müssten. Es wäre also eine Ausnahme, die erst die Regel erschafft, wonach Text- und Data-Mining unter das Urheberrecht fällt. Alles andere als eine Ausnahme, die Text- und Data-Mining ganz generell und für alle vom Urheberrecht ausnimmt, wäre deshalb eine Verschlechterung des Status quo. Glücklicherweise sieht das Julia Reda, die derzeit im EU-Parlament für ein zeitgemäßes Urheberrecht kämpft, genauso. Mehr zu ihrer Arbeit im Interview in dieser Ausgabe sowie unter juliareda.eu.
 

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