Schau ma mal

Widerworte – Emanzenkolumne von Jelena Gučanin 

Was kann ich tun? Eine Frage, die ich mir oft stelle, wenn es darum geht, politisch aktiv zu werden. Zwischen Naziliedern, sexistischen Grauslichkeiten und dem Hinhauen auf die Schwächsten unserer Gesellschaft fällt es nämlich oft gar nicht so leicht, den Mut zu behalten. Solche Ereignisse machen traurig, zuweilen wütend und oft auch einfach ratlos. Doch gerade in Zeiten des schwarz-blauen Backlashes und der unübersehbaren Flut an #metoo-Erzählungen ist es eine Frage, die sich jeder solidarische Mensch stellen müsste. Oft fehlt es jedoch an den nötigen Ressourcen, den richtigen Netzwerken und der Energie, große und nachhaltige politische Projekte umzusetzen. Für viele bleibt dann oft nur: die Resignation.

Doch das muss nicht sein. Es gibt nämlich auch die kleinen Widerstände im Alltag. Die Momente, in denen etwas gesagt werden muss, die Tage, an denen Schweigen keine Option ist. Schon gar nicht, wenn eins in einer privilegierten Position ist. Witze über Vergewaltigung im FreundInnenkreis nicht einfach weglachen, nicht wegschauen bei der rassistischen Beschimpfung in der U-Bahn, und nicht zögern, diesen kleinen, aber wichtigen Gegenkommentar unter einem sexistischen Posting zu schreiben – das alles sind Dinge, die recht einfach umzusetzen sind. Und dafür umso gewichtigere Zeichen setzen.

Denn der politische Rückschritt ist nicht bloß nervig, er ist für viele Menschen, und darunter vor allem Frauen, existenzbedrohend und brandgefährlich. Bei Armut, Chancenungleichheit, Diskriminierung einfach wegzusehen, weil es bequemer ist, ist keine Option. Doch Österreich kann eines leider besonders gut: vorauseilend gehorsam sein. Lieber wegschauen, als die Gefahr einer Blamage kassieren, lieber schauen, wo man bleibt, anstatt näher hinzusehen. Genau dieses Desinteresse ist jedoch stille Zustimmung. Ist der Grund, warum ein diskriminierendes System weiter diskriminieren kann. Das sehr österreichische Motto «Schau ma mal, was passiert» hat noch nie Veränderung gebracht. Denn passiert ist eigentlich schon genug.

Genau da fällt jeder Ungehorsam, jede Gegenrede und jeder persönliche Widerstand umso stärker auf. Denn er löst weitere, kleine Kettenreaktionen aus, die dieses Land dringender braucht denn je. Und weitergehen, nach vorne schauen, laut sein – das ist in solchen Zeiten wohl die beste Strategie. Wenn wir die Möglichkeit und die Stimme haben, die so viele Menschen nicht haben, dann ist es unsere Pflicht, sie zu nützen.

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