Der hundertsten Wanderwegbeschilderung entgegentreten

Alex Staufer kennt sich aus mit LEADER. Für „land.macht.kreativ“ hat er selbst um Projektgelder geworben. Und als Mitglied des LEADER-Projektauswahlgremiums in der Region REGATTA entscheidet er mit, wer Mittel aus dem EU-Förderprogramm bekommt. Er erklärt, wie Kulturvereine und Kulturschaffende von der EU-Regionalförderung profitieren können.

Bietet das LEADER-Programm lokalen Kulturvereinen eine Chance?

Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass LEADER unter anderem gerade dahingehend konzipiert wurde, lokale Bottom­Up Initiativen zu unterstützen. Es soll den europäischen Geist der kulturellen Vielfalt, der eigenständigen wirtschaftlichen Entwicklung und breiter gesellschaftlichen Teilhabe an der Gestaltung der Zukunft vor Ort ermöglichen. Auch wenn die Realität der LEADER­-Projektauswahl oftmals eine andere, nämlich teilweise eher Top­Down ist, ergeben sich in der Praxis doch zahlreiche Anknüpfungspunkte. Oftmals fehlt es nur am Wissen der Kulturschaffenden über die Einreichmöglichkeiten und der Ausdauer, ein Projekt auch wirklich einzufädeln und durchzuführen. Kulturinitiativen können mit ihrer kritischen und innovativen Art jedenfalls sehr viel Farbe und positive Dynamik in die Regionalentwicklung bringen, was auch dringend nötig ist.

Kann über LEADER die zurückgehende traditionelle Kulturförderung kompensiert werden?

Dies muss aus meiner Sicht leider mit einem klaren NEIN beurteilt werden. Generell wird die Förderung kultureller Aktivitäten wie Konzerte und Ausstellungen als sehr kritisch gesehen. Vor allem, da von Seiten der lokalen LEADER­-Vereine die begründete Angst besteht, hierdurch mehr Missgunst und Neid unter den verschiedenen Kulturschaffenden zu stiften, wenn Einzelne herausgepickt, aber nicht die Breite der Kulturaktivitäten in der Region gefördert wird. Dieser Umstand lässt keine langfristige finanziell abgesicherte programmatische Arbeit zu, welche öffentliche Kulturförderschienen zum Ziel haben. Es bleiben daher eher innovative Themenstellungen über, welche projekthaft sowie zeitlich begrenzt über eine Förderung unterstützt werden können.

Wie profitiert man von LEADER?

Da LEADER eine Projektförderung ist, muss jedes Vorhaben auch als solches gedacht werden. Gefördert wird daher zeitlich abgegrenzt etwa der Aufbau von neuen Strukturen und Schwerpunkten in der Region. Ziel ist es, danach den laufenden Betrieb unabhängig von der LEADER­Förderung aufzustellen. Das zeitgenössische Kunstfestival «Perspektiven Attersee» wurde beispielsweise mit diesem Prinzip unterstützt und muss seither mit viel Engagement, Ehrenamt und Sponsorenmitteln den Fortbetrieb bewerkstelligen. Strebt man daher ein längerfristiges Format an, muss man sich genau überlegen, welcher Teil davon als eigenständiges LEADER­-Projekt funktionieren kann.

Bezahlung oder Ehrenamt?

Kleinprojekte bis 5.700 € sind besonders für Kulturvereine vor Ort interessant, um Ideen, Vorhaben und kleine Investitionen relativ einfach umsetzen zu können. Es wird keine Abrechnung benötigt, sondern es muss nur eine sorgfältige Dokumentation der Projektarbeit vorgelegt werden. Hier besteht also die Möglichkeit, relativ schnell gute Ideen unkompliziert finanziert zu bekommen. Strebt man jedoch ein größeres Vorhaben über eine Finanzierung aus LEADER-­Mitteln an, sollte man sich auf einen längerfristigen und bürokratischen Weg einstellen. Gerade wenn Projekte innovativ sind, eine professionelle Leistung erbracht und eine entsprechende Entlohnung erwartet wird. Es benötigt hier oftmals schon viel Überzeugungs­ und Konzeptarbeit im Vorfeld. Implizit spüre ich oftmals die Erwartung, dass Projekte rein aus freiwilligem Engagement erbracht werden sollen. Dass beispielsweise der neue Themenwanderweg vom PensionistInnenverein nur mit Materialkosten umgesetzt wird, scheint hier leider Vorbild zu sein. Ob ein professionelles oder freiwilliges Vorhaben angestrebt wird, sollte daher im Vorhinein klar kommuniziert werden.

Welche Themen finden Anklang?

Da LEADER ein Regionalentwicklungsprogramm ist, sind alle Ansätze, die spürbar einen Beitrag zur Weiterentwicklung und Gestaltung des Ortes oder der Region leisten, gefragt. Hier sind der Phantasie eigentlich kaum Grenzen gesetzt. Dennoch sollte es für die lokalen Entscheidungsträger einen verständlichen und umsetzbaren Nutzen bringen. Gerade bei Themen wie Jugend, Innovation sowie neue Technologien und Medien herrscht in fast allen LEADER­-Regionen ein Mangel an guten Projekten.

Wie gelingt es meinem Projekt durch ein Projektauswahlgremium positiv genehmigt zu werden?

In der Regel sind die verantwortlichen LEADER-­ManagerInnen in den Regionen daran interessiert, Projekte zur Umsetzung zu bringen. Sie unterstützen daher aktiv das Vorhaben und bewerben das innerhalb des Gremiums, sofern die Qualität der Ausarbeitung und die Umsetzungskompetenz der ProjektwerberInnen gegeben sind. Doch wie bei jedem Menschen, haben auch LEADER-­ManagerInnen ihre bestimmten Vorstellungen, was die Region braucht und was ein gutes Projekt ist. Es kann daher hilfreich sein, auch mit thematisch versierten Mitgliedern des Projektauswahlgremiums direkt Kontakt aufzunehmen, um für ein tieferes Verständnis einer Projektidee zu sorgen. Weiters kann es sinnvoll sein, den / die BürgermeisterIn der Heimat­Gemeinde frühzeitig zu informieren, da diese ja auch erfreut sind, wenn aus ihrer Gemeinde Projekte entstehen, selbst wenn sie inhaltlich / politisch teilweise eine andere Auffassung haben. Ob ein Projekt schließlich genehmigt wird, hängt aber noch immer von vielen oft eigenwilligen Dynamiken einer Projektauswahlsitzung ab.

Projekt einreichen: JA oder NEIN?

Es gibt leider nach wie vor zu wenig spannende LEADER-­Projekte. Wenn man der hundertsten Wanderwegbeschilderung entgegentreten will, dann sollte man sich unbedingt mit der eigenen Idee auf das Abenteuer LEADER einlassen.

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Lesen Sie weiter: LEADER-Rundschau – LEADER-finanzierte Kulturprojekte aus der freien Szene (KUPFzeitung #163)

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