Sechs Fronten im Kulturkampf

Früher war die Linke internationalistisch, heute ist es die Rechte. Ihre Methoden und Kampagnen gleichen sich europaweit an. Das macht sie gefährlicher – und gleichzeitig berechenbarer. Sechs Beispiele rechtspopulistischer Strategien und sechs sehr persönliche Vorschläge, wie man ihnen begegnen könnte. Von Barbara Tóth.

Erstens: RechtspopulistInnen lieben es, demokratische Wahlen anzuzweifeln. Die FPÖ klagte im Jahr 2016 die Wiederholung der Präsidentschaftsstichwahlen ein. Die polnische PiS startete nach den polnischen Kommunalwahlen 2014 ihre Kampagne von der „gestohlenen Wahl“. Das Narrativ war das gleiche. Hier der Kandidat der Herzen, des Volkes, dort der Vertreter des Systems, durch Manipulationen der Herrschenden zum Sieger erklärt.

All das soll das Vertrauen in die Demokratie schwächen und den Boden für autoritäre Systeme aufbereiten und genau davor gehört laut und deutlich gewarnt.

Zweitens: RechtspopulistInnen bezeichnen ihre politischen Gegner gerne als Teil der Elite, Schickeria oder Establishment. Sie selbst inszenieren sich so als RepräsentantInnen des Volkes. Früher erklärte man sich die Politik gerne als Kampf links gegen rechts. Den Aufstieg der RechtspopulistInnen analysierte die Linke folglich als „Rechtsruck“. Aber das greift zu kurz. RechtspopulistInnen positionieren sich als Partei derer, die „unten“ sind, gegen die „oben“. Hausverstand gegen Abgehobenheit, Verwurzelung gegen Eurokratie. Dagegen hilft der Hinweis, dass RechtspopulistInnen selbst Teil des Establishments sind, das sie angeblich so verachten. Und Respekt, nicht zu verwechseln mit Toleranz.

Denn eines haben die Rechten den Linken voraus: Sie geben dem Wahlvolk das Gefühl, es mit seinen Ängsten und Sorgen ernst zu nehmen und stellen es nicht als von der Reform- oder Modernisierungspolitik „Überforderte“, „Ausgeschlossene“ oder „Abgehängte“ dar. Nur ihre Lösungen, die sind die falschen, und das gehört immer wieder durchargumentiert.

Drittens: RechtspopulistInnen sind WohlfahrtschauvinistInnen. Der Sozialstaat ist gut, aber nicht für alle, sondern nur für jene, die ihn sich verdient haben. Dank Geburt, weil sie „echte“ ÖsterreicherInnen, SchwedInnen, DänInnen oder HolländerInnen sind. Oder später vielleicht einmal dank Leistung, weil sie Sozialbeiträge eingezahlt haben. Der Wohlfahrtschauvinismus funktioniert dort besonders gut, wo eine (einst mächtige) Sozialdemokratie nach dem Zweiten Weltkrieg einen fürsorglichen Staat aufgebaut hat. Also auch in Österreich, wie die jüngsten Vorstöße der Regierung zum Thema Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder, die im Ausland leben, leider zeigen.

RechtspopulistInnen rechts zu überholen und ihre Themen wegzunehmen hat in der Geschichte noch selten funktioniert. Besser wäre es, den Sozialstaat stark, transparent aber weniger geldfixiert zu gestalten. Also von den in Österreich sehr üppigen Geld- auf Sachleistungen umzusteigen. Weniger Familienbeihilfe, dafür ein Rechtsanspruch auf einen Gratis-Kindergarten, zum Beispiel.

Viertens: RechtspopulistInnen bauen ihre eigenen „Bubbles“ auf. Heinz-Christian Straches Facebook-Seite hat mit über 550.000 Followern mehr als jene von Außenminister Sebastian Kurz oder Kanzler Christian Kern. Die rechtspopulistischen Nachrichtenwelten funktionieren erschreckend gut. Zu ihnen gehören Facebook und verschiedene offiziös wirkende Nachrichtenseiten aus dem In- und Ausland, die sich untereinander zitieren und dem User und der Userin so das Gefühl geben, die Wahrheit darzustellen. Mit klassischen Medien – Tageszeitung, ORF – erreicht man sie gar nicht mehr.

Die Fragmentierung der Öffentlichkeit ist eine der größten Gefahren, weil es den gesamtgesellschaftlichen Diskurs verunmöglicht. Es fehlt an gemeinsamen Plattformen. Auf allen Kanälen funken ist eine mögliche Antwort darauf. Sich sozialen Medien nicht verschließen, auch wenn einem vor dem Unsinn graut, der sich dort abspielt. Und, so banal es klingt: das persönliche Gespräch suchen, mit jeder/m einzelnen, die/der in die Bubble abzugleiten droht, und sie/ihn über die Macht der Algorithmen aufklären.

Fünftens: RechtspopulistInnen sind islamophob. Der Kampf gegen einen Islam, der die Werte Europas angeblich zerstört, eint alle europäischen RechtspopulistInnen und ist derzeit ihr stärkster Motor. Die neue Islamophobie hat im Zuge der großen Fluchtbewegungen des Jahres 2015 schnell die alten, von Land zu Land unterschiedlichen Ausländerfeindlichkeiten und den Kampf gegen linken, staatlich geförderten Multikulturalismus abgelöst. Sogar historisch latent antisemitische Rechtsparteien wie die FPÖ haben ihre Vorurteile gegen Juden (zumindest offiziell) zurückgestellt und treten jetzt als glühende Kämpfer für den Staat Israel auf. Nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

Die Angst vor einer „Islamisierung“ ist inzwischen tief in die Mitte der Gesellschaft eingesickert. Sie trifft auf die Verunsicherung im Jahr 9 der Wirtschaftskrise. Nur wegargumentieren lässt sich die islamophobe Grundgesinnung nicht mehr. Da ist noch mehr Aufklärungs-, Bildungs- und Integrationsarbeit gefordert. Eigentlich bräuchte es eine gigantische Schuloffensive, damit Schulen zu echten „Community Centers“ werden. Weil die Politik das nicht sieht, springt einmal mehr die Zivilgesellschaft ein.

Sechstens: RechtspopulistInnen sind pseudo-feministisch. Sie versuchen neuerdings, sich ein feminineres, weicheres Image zu geben und rücken daher Frauen in die erste Reihe. Bestes Beispiel dafür ist Marine Le Pen oder Ivanka Trump. Nur die FPÖ hat diesen Trend noch nicht importiert. In ihren Programmen vertreten die RechtspopulistInnen sehr gestrige Rollenbilder und genau darauf lohnt es sich hinzuweisen.

Am besten gelingt das derzeit der Burschenschaft Hysteria, einem feministisch-aktionistischen Kunstprojekt, das die Identitären mit viel Schmäh vorführt.

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