Zeit für den Fehdehandschuh

Eine Gnackwatsch’n für jene WählerInnen, die sich gerne gewundert hätten und eine Aufforderung, Tacheles zu reden

Ich hätte ja gern dem Herrn Luger eine Gnackwatsch’n verpasst, für seinen zynischen und perfiden Umgang mit den Bettlerinnen in Linz. Aber angesichts der dramatischen Wahlentscheidung geht der rechtslastige Bürgermeister noch einmal leer aus. Vorläufig zumindest, denn so wie der gerade drauf ist, wird sich schon bald eine neue Gelegenheit bieten.

Mehr Sorgen bereiten mir jene 49,7 %, die sich in der zweiten Runde der Bundespräsidentenwahl für Norbert Hofer entschieden haben. Denn bei aller Erleichterung über den arschknappen Sieg von Van der Bellen: Das Votum für Hofer hat nicht nur quantitativ eine neue Dimension. Was wir am Sonntag erlebt haben, war keine Protestwahl mehr, wo man im Wissen, dass eh nichts passieren kann, kräftig auf den Putz haut, um es denen da oben so richtig zu zeigen. Nein, die 49,7 % mussten davon ausgehen, dass Hofer gewinnen kann und damit ein strammrechter Ideologe und deutschnationaler Burschenschafter in die Hofburg einzieht. Ein Kandidat einer Partei, die seit Jahrzehnten Pionier der nationalistischen und antieuropäischen Rechten ist und im Verbund mit Le Pen und Co. an der Zerstörung des aufgeklärten Europas arbeitet. Wer für Hofer gestimmt hat, wollte wissen, was alles möglich ist, wollte sich wundern, was er mit so einem Amt alles machen kann. Hofer ist mit einem klaren Gestaltungsanspruch angetreten und 49,7 % wollten ihn liefern sehen. Das ist der große Unterschied, nicht bloß die Zahl der Stimmen. Dabei ist es völlig irrelevant, wieviele der Hofer-Wählerinnen nun „wirkliche“ Rechte sind, sie haben einen wirklich Rechten gewählt, das ist das was zählt.

Auch wenn es sich gerade nochmal ausgegangen ist: Freude, Zufriedenheit oder gar Überheblichkeit sind fehl am Platz. Die 49,7 % zeigen deutlich, wie tief sich das Gift des Rechtspopulismus in unsere Gesellschaft gefressen hat, wie sehr 30 Jahre FPÖ-Radau das System ausgehöhlt und untergraben haben und wie unfähig wir alle waren, ein taugliches Rezept dagegen zu entwickeln. Hofer hat es knapp nicht geschafft, Strache wird es als nächstes versuchen.

Völlig falsch wäre es jetzt, die Gräben in der Gesellschaft „zuzuschütten“ oder sich gar den FPÖ-Positionen anzunähern, ganz im Gegenteil: Wir müssen den Konflikt austragen und endlich Tacheles reden: über das multikulturelle Österreich, die Vorzüge einer liberalen und säkularen Gesellschaft und unsere Zukunft in einem solidarischen Europa, das die unsägliche Ära der Nationalstaaten endlich hinter sich lässt. Auf die Gnackwatsch’n folgt also der Fehdehandschuh. Packen wir’s an.

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