Pro & Kontra: Crowdfunding

Immer mehr Initiativen nutzen Crowdfunding zur Projektfinanzierung – auch im KUPFnetzwerk. Wir haben mit Simone Mathys-Parnreiter und Magdalena Reiter zwei Expertinnen gebeten, die Vor- und Nachteile auszuloten.

                

Viel mehr als Finanzierung

 

 

Crowdfunding hat mir immer eingeleuchtet. Für mich ist es eine Fortsetzung von Zugängen, die ich eh schon hatte: DIY als Haltung; die Überzeugung, dass es am konstruktivsten und nachhaltigsten ist, in Netzwerken zu agieren; und die Erfahrung, dass Kommunikation meist essentiell ist. Wenn ein Projekt besucht, gehört, gelesen, diskutiert und/oder bezahlt werden soll, müssen Leute davon erfahren und das tun sie nicht von allein.

Reward-based Crowdfunding – das Modell, bei dem Unterstützer*innen Gegenleistungen für ihren Beitrag erhalten – schlägt diese Fliegen mit einer Klappe. Es ist Finanzierung durch die Kraft der Gruppe, aktive Kommunikation und dadurch Bewerbung des Projekts. Es ist eine Möglichkeit für Vorverkauf, Feedback und Partizipation. Manche Projekte könnten sich anders nicht finanzieren, andere erweitern prekäre Budgets oder machen sich unabhängiger, weitere nutzen es strategisch: Sie testen eine Idee, kombinieren Vorfinanzierung und Vorverkauf, pflegen und erweitern ihr Netzwerk und trommeln in einer frühen Phase für ihr Projekt. Oft spielen mehrere Aspekte zusammen.

Mir gefällt, dass diese Art von Crowdfunding eine wertschätzende Aufmerksamkeit gegenüber der eigenen «Crowd» – sozusagen im Prozess – angelegt hat: An wen richtet sich das Projekt? Wer ist in meinen Netzwerken? Was könnte ihnen an meinem Projekt taugen? Was kann ich ihnen anbieten? Das Schöne dabei ist, dass nicht nur Gegenleistungen mit Marktwert, wie Produkte, gut ankommen, sondern auch persönliche und ideelle Angebote: Die Einladung ins Atelier auf ein Glaserl, als Statist*in im Comic vorkommen, die Playlist mit den Inspirationen zum Album. Das ist vielen Menschen Geld wert. Sie erhalten auch etwas Attraktives: ein besonderes Erlebnis, Zeit und Teilhabe.

Ich glaube, Crowdfunding reagiert genauso auf Bedürfnisse der «Crowd» wie auf die der Projekte: Ein Bedürfnis, Geld sinnvoll auszugeben und mit dem Geld etwas zu bewirken; wissen wollen, welchen Weg es nimmt und wo es landet; und etwas erhalten, das mehr als nur ein Konsumgut ist.

Crowdfunding ist kein Wundermittel und es eignet sich nicht für jedes Projekt. Bei großen Projekten ist oft ist nur eine Teilfinanzierung realistisch. Und es ist Arbeit, wenn auch gut investierte Arbeit. Auf jeden Fall ist es eine vielseitige Ergänzung für den Projekt-Werkzeugkoffer, deren Wirkung über Finanzierung weit hinausgeht.

 

 

 

 

 

 

Nicht für alles ist eine Crowd gewachsen

Crowdfunding ist momentan in aller Munde. Doch seine Möglichkeiten für den Kunst- und Kulturbetrieb haben Grenzen.

Vor der ersten Hürde steht man bereits beim Erstellen einer Kampagne: Selbst mit der besten Idee ist für ihren Erfolg ein gewisses Maß an Investition vonnöten. Immer professioneller werden die Auftritte und Videos von jenen, die erfolgreich finanziert werden und so steigt der Druck für das eigene Projekt, ebenso Investitionen für eine Kamerafrau, einen Cutter, eine Texterin, einen Übersetzer, vielleicht sogar eine professionelle Sprecherin oder ein Handmodel zu zahlen. Nur wenige zeitgenössische Künstler*innen und Kulturtäter*innen können da auf Anhieb mithalten.

Selbst wenn sie über das professionelle Know-how, Equipment oder Netzwerk verfügen, braucht es in vielen Fällen verkaufbare Produkte oder wenigstens die Aussicht darauf in Form von fertigen Konzepten und Prototypen, um den Fördergeber*innen die Mikrofinanzierung aus den Taschen zu locken. Zwar wird die Katze im Sack gekauft, aber der Sack doch wenigstens auf Risikominimierung überprüft. Von Kunst- und Kulturschaffenden wird dabei verlangt, sich im klassischen Wettbewerb einer Aufmerksamkeitsökonomie nach den Regeln des Marktes einzuordnen. Jene Kunst- und Kulturformen, die von Raum zum Experimentieren und der Möglichkeit des Scheiterns abhängig sind, werden dabei nur in wenigen Einzelfällen berücksichtigt.

Als leere Versprechen muss man also jene Diskussionen titulieren, die sich darum drehen, öffentliche Förderungen durch private Modelle wie Crowdfunding ersetzen zu können.

Mikro- und Schwarmfinanzierungen brechen zwar mit gängigen Hierarchien und machen traditionelle Strukturen (vor allem für Kreativwirtschaftende) durchlässiger. Von einer ausreichenden Demokratisierung der Fördermöglichkeiten sprechen wir dabei aber nicht. Für jene, die noch unbekannt sind, eine unbequeme Position einnehmen oder vielleicht einfach einer breiten Masse nicht zugänglich genug sind, bleibt auch vom angeblich demokratisierten Kuchen nur ein kleines Stückchen übrig. Ja, es gibt immer wieder shooting stars, die das Gegenteil beweisen, doch sind sie rar. Jene mit einem großen Namen oder einem bereits ausgestatteten Marketingbudget haben es im Großen und Ganzen weiterhin leichter. All jene, die nicht in diese Gruppe fallen, sind also weiterhin auf öffentliche Finanzierungen und dazugehörige professionelle Jurys angewiesen.

 

 

 

 

 

Foto: Miguel Dieterich

 

Foto: CC BY-SA 3.0 AT Michael Holzer

Simone Mathys-Parnreiter vertritt die Crowdfunding-Plattform wemakeit in Österreich.
about.me/mathys.parnreiter Magdalena Reiter arbeitet als selbständige Designerin an der Schnittstelle zur Theorie. Ihr besonderes Interesse gilt Open Design, Remixkultur und kreativer Kollaboration.
magdalenareiter.at

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