Wunschträume eines Idealisten

Immer wieder: die Forderung nach radikaler Transparenz! Über das Kulturleitbild berichtet Stefan Haslinger.

 

Ein beliebtes (österreichisches) Spiel ist es, knapp vor dem Ende, dem Abschluss eines Prozesses, dessen Sinn in seiner Gesamtheit noch einmal in Frage zu stellen.

Das kann zwar euphemistisch als Reflexion betrachtet werden, in Wirklichkeit resultiert es zumeist aus einer Unsicherheit, einer Ungewissheit ob des Dargebrachten. So geht es mir zur Zeit mit dem oberösterreichischen Kulturleitbild. Je näher der Zeitpunkt kommt, an dem es beschlossen werden soll, umso mehr frage ich mich, wofür das jetzt gut war, ist oder sein wird.

Einen Effekt hat Dr. Julius Stieber im Interview1 schon erwähnt: “Von unserer Seite ist mit dem Referenten vereinbart, dass das endgültige Papier als Grundlage für die Leistungsvereinbarung zwischen der Abteilung und dem Referenten im Rahmen der wirkungsorientierten Verwaltung herangezogen werden.“

Wirkungsorientiert also!

Heißt das, dass der Prozess, bei dem die kulturinteressierte Öffentlichkeit zum Mitmachen animiert wurde, und ständig von Partizipation die Rede war, zu guter Letzt einen Baustein der Verwaltungsreform darstellt? Das wird zu überprüfen sein. Genauso wie es zu überprüfen sein wird, welche Auswirkungen das Kulturleitbild auf die oberösterreichische Kulturpolitik haben wird.

Was hier von Nöten ist, ist ein Austausch, das Führen von Konflikten über Schwerpunktsetzungen und Anforderungen an eine progressive Kulturpolitik. Dieser Austausch wird nicht durch ein Leitbild herbeizuführen sein, sondern bedarf des Willens zur Auseinandersetzung. Diese wiederum ist aber keine Kategorie für (ober)österreichische PolitikerInnen, sobald sie die parteipolitische Ebene verlässt.

Auf genau dieser Ebene wird nun auch das Kulturleitbild letztverhandelt. Nachdem der Landeskulturbeirat die überarbeitete Fassung am 16.6.08 verabschiedet hat, wird ab Herbst im Kulturausschuss des Landes diskutiert. Bei der »Verabschiedung « meinte der Vorsitzende des Landeskulturbeirates Dr. Helmut Obermayr, dass der beschlossene Text ein Bekenntnis sowohl zur Verbreiterung der kulturellen Basis als auch zur Verbesserung der Qualität und damit zur Förderung von Spitzenleistungen ist. 2 Das lassen wir einmal so stehen.

Mit dem Gang in die (partei)politische Ebene ergeben sich für den anfangs so ambitionierten Prozess gleich mehrere Probleme: erstens wird der Prozess einer öffentlichen Kontrolle entzogen, die umso notwendiger wäre, je mehr es um die Claim-Absteckung der eigenen Parteilinien geht. Zweitens ist der Kulturausschuss, wenngleich als grüner Erfolg gefeiert, kein Gremium, das bis jetzt öffentlich auffällig geworden wäre, oder oft von der Politik bemüht würde. Gerade einmal 4 Kulturausschussberichte gab es seit 2003 im Landtag. Mit diesem Vorgehen hat das Land Oberösterreich dem ganzen Prozess einen ziemlichen Dämpfer verpasst.

Gerade wenn es dem Land Oberösterreich ernst ist, über das Kulturleitbild den kulturpolitischen Diskurs zu forcieren, dann muss es auch eine öffentliche Diskussion darüber geben, wie mit dem Papier weiter umgegangen wird. Hier würde die Forderung nach radikaler Transparenz ansetzen. Der Kulturausschuss müsste seine Sitzungen öffentlich machen, oder zumindest über diese Sitzungen berichten, und das nicht nur in Form von Landtagsbeilagen.

Aber das ist in der politischen Landschaft (Ober)Österreichs ein Wunschdenken. Aber das sind Wunschträume eines Idealisten. Transparenz als Maßstab demokratischer Debatten wird von der Politik immer von den anderen eingemahnt. Die eigene Arbeit dadurch auf den Prüfstand zu stellen, davon sind wir noch weit entfernt.

1 https://kupf.at/node/769 2 Landeskorrespondenz OÖ, 16.6.08#

Stefan Haslinger ist Teil der Geschäftsführung der KUPF und im Vorstand der IG Kultur Österreich und des KV waschaecht, Wels.

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