Ene, mene, muh und draus bist du!

Galia Stadlbauer-Baeva über eine andere Betrachtung von Identität.

 

„Der Aspekt der reichen und vielfältigen europäischen Identität“ ist in der Politik der Kulturförderung auf EU- und nationaler Ebene fest verankert. Nun, was ist „europäische Identität? Was ist Identität überhaupt?“ : Bewegungsfragen für die Konzeption und Durchführung der Ausstellungsreihe „Identität heute…“ in der Schaufenstergalerie von maiz.

Die Schwierigkeit, Diskurse über eine Konstruktion zu halten, die äußerst restriktiv ist und gleichzeitig die Notwendigkeit, aus einer Identität als Migrantinnen zu handeln, war uns bewusst, daher entschieden wir uns, keine Diskurse zu führen, sondern Gegenbilder in Sequenzen in 4 Ausstellungen zu zeigen. Von Juni bis Dezember 2007 waren vier Ausstellungen zu sehen, die nach und nach alle acht Schaufenster von maiz besetzten. Vier Künstlerinnen näherten sich mit ihren Auseinandersetzungen zu jeweils verschiedenen Aspekten der Identität, und hatten dafür zwei Fenster zur Verfügung:

„Im Land, wo Honig und Milch fließen“ Zum Thema Geschlechteridentität/en wurde die erste Ausstellung von der Künstlerin Roswitha Kröll während des Abschlussfestes der »Lust auf Rechte«-Kampagne eröffnet. Das eine Fenster zeigte ein Familienportrait einer Hochzeitsgesellschaft; das zweite Fenster einen Altar der Hurenverehrung, wo ein Plakat von Annie Sprinkle „40 REASONS WHY WHORES ARE MY HEROES“ aufgehängt wurde. Die zwei Fenster brachte Roswitha Kröll durch ihre Putzfrau-Live-Performance (der meist ausgeübte Beruf von Migrantinnen) in Verbindung: beim ersten putzte sie das Familienfoto, das dadurch an Farbe verlor, und anschließend näherte sie sich Sprinkles Plakat in ritueller Form. Das Spiel wurde zu einem zentralen Motiv aller vier Ausstellungen: das erlaubte die Normalität abzulehnen, neue Beziehungen zu produzieren und daraus neue Lüste und Begehren herzustellen. Der eigentliche Sinnträger dieser Ausstellung wurde die wechselnde Bespielungssequenz der Fenster bei der Performance. Damit wurden die Differenzen zwischen den Frauen aufgehoben: eine Proklamation des Feminismus aus den „Randgruppen“ war unsere Intention.

„Identival der Pflaster“ Mit dem Ausstellungstitel – einer Anspielung auf das zeitgleich stattfindende Pflasterspektakel – äußerten wir die Problematik, dass Migrantinnen nach wie vor ihre Existenz in Österreich über die Funktion des Pflasters für die Wunden der Mehrheit bestreiten müssen. Die Künstlerin Delphine Kini Mae gestaltete das eine Fenster – der Tradition – mit Zentralmotiven eines typischen chinesischen Kleides. Die Aussage war: die Haftung an traditionellen Symbolen aus der „Heimat“ verschafft eine kulturelle Gegenidentität, um Widerstand gegen eine Assimilation zu leisten, aber hebt das Risiko einer (ethnischen) Homogenisierung nicht auf. Als Pendant zum Traditionsbild war das zweite Fenster, wo sie in einem Video das Fressen eines roten Fadens, der die Nabelschnur symbolisierte, aber gleichzeitig auch Assoziationen zu Sozialisation und Assimilation, Konsum und Konsumiert-Werden hervorrief, zeigte. Sie nannte sie „die Ästhetik der Banana-Generation“: als eine Asiatin, im Westen aufgewachsen, versteht sich Delphine als eine Banane – von außen gelb und von innen weiß.

„Identität vs. Religion“ Wie sehr die Rolle des Visuellen für Identitätskonstruktionen zugenommen hat, wird am Beispiel Identität und Religion deutlich. In den heutigen Auseinandersetzungen mit dem politischen Islam wird dieser fast ausschließlich durch Bilder vermittelt und dadurch fungiert die Kultur als Pseudonym von Rasse und die Religion als Synonym von Identität. Darüber hinaus werden Diskurse über Identität, Integration, Interkulturalität ins Visuelle übertragen, was per se rassistisch ist. Raquel Munoz zeigte in ihrer Arbeit zwei Plakate mit weiß bemalten weiblichen Körpern, die als Podest für die männlichen schlappen Körper dienen. Es ist eine Annäherung und Auseinandersetzung mit der Symbolik der Pieta.

„Identität des Unbehagens“ Adriana Torres zeigte in einem Fenster ein Dirndl-Kleid aus BIO-Verpackungen und im zweiten Fenster das Bild von Ché Guevara aus roten Flaschenverschlüssen. Die Frage, ob die soziale Klasse eine/mehrere Identität/en konstruieren kann/soll oder umgekehrt, tauchte als logische Konsequenz bei der Betrachtung der Identitätskonstruktion durch Klasse auf. Die Kritik am System wird von diesem vereinnahmt und versorgt dieses dauernd mit »frischem Blut«. Am Beispiel des BIO-Wahns in Mittel- und Westeuropa kann das sehr ersichtlich werden, wie eine Lebensalternative mit anfänglich tiefen ideologischen Ansprüchen, vom Markt und vom herrschenden Diskurs vereinnahmt wird und für das Funktionieren der »biologischen Macht« eingesetzt wird. Dasselbe Verhaltensmuster zeigt der Markt gegenüber Mythen, wie z.B. Ché Guevara einen darstellt. Nun die Frage: Sind die Kritik-Revolte und das Unbehagen nicht selbst Produkte des Kapitalismus? Konformismus und Kritik Hand in Hand?

Galia Stadlbauer-Baeva ist Inhaltliche Koordinatorin des Projektes »Identität Heute …« und ehem. Mitarbeiterin von MAIZ

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