Am Anfang war Eldorado

Aileen Derieg über 15 Jahre MAIZ

 

Am 30. Oktober 2009 feiert MAIZ 150 Jahre.

In jedem einzelnen der fünfzehn Jahre des Bestehens dieses Vereins steckt so viel Arbeit, so viel Einsatz, so viel Wollen, dass jedes Jahr ein Jahrzehnt füllen könnte, doch die zugrun deliegende Überzeugung ist nach wie vor ungebrochen. MAIZ besteht seit 15 Jahren und hat fest vor, weiterhin zu bestehen. Auf den ersten Blick gibt es vielleicht nicht gerade viel zu feiern: So wie viele andere Kulturvereine ist auch MAIZ weitgehend von „Projekten” abhängig, um den Betrieb aufrecht zu erhalten, ein Umstand, der unglaublich viel Zeit und Energie auffrisst und wenig bis gar keine Sicherheit bringt. Zudem ist 2009 nicht nur Kulturhauptstadtjahr in Linz, sondern auch Wahljahr in Oberösterreich. Das Kulturhauptstadtjahr soll viele Ausländerinnen nach Oberösterreich bringen, allerdings nur als Touristinnen, die auch wieder gehen. Dass es Wahljahr ist, merkt frau an den vielen häßlichen Plakaten, die Feindbilder schaffen und selbstzerstörische Abschottung und Isolierung propagieren. Ein autonomer, selbstorganisierter Verein von und für Migrantinnen in Oberösterreich hat es in dieser Situation nicht leicht.

Doch schon die Überschrift für die Feierlichkeiten, Am Anfang war Eldorado, zeigt eindeutig, dass MAIZ weder um Almosen noch um Mitleid bittet. Mit diesem schlichten Hinweis wird vielmehr die lange, vielschichtige und überaus verwickelte Geschichte der Migration an sich ins Bewusstsein gerufen. Wer hat sich wann auf die Suche nach Eldorado, auf den Weg wohin gemacht? Welche Bedeutungen wurden dem vielsagenden Begriff von Eldorado im Laufe der Zeit aufgeladen? Schon der Name „Eldorado“ beschwört die vielfältigsten Geschichten von Gier, Verirrungen, Sehnsüchten, Träumen …

Völkerwanderungen sind ein wesentlicher Bestandteil der Menschheitsgeschichte seitdem es Menschen überhaupt gibt. Die Beweggründe dafür sind auch so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Einfältige, wenn nicht gar böswillige Unterstellungen, dass etwa „die Anderen“ am selbst erarbeiteten, wohlverdienten Wohlstand mitnaschen wollen, ohne den eigenen Wohlstand zu erarbeiten, verschleiern genauso die komplexe Entwicklung und die verschlungenen Wege der Industrialisierungsgeschichte, wie die Kostenunwahrheit bei Konsumgütern es auch tut. Doch die grausame Geschichte der Eroberung Lateinamerikas durch goldgierige Europäerinnen birgt vielleicht noch einen Hinweis auf eine mögliche Erklärung der Abschottungs- und Aufteilungsversuche, die Mitbürgerinnen in „heimische“ und „Ausländerinnen“ einteilen wollen: es geht um das Wissen der Migrantinnen um die häßliche Schattenseite des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Migrantinnen, die in der Sexarbeit oder im Pflege- und Haushaltsbereich tätig sind, erwerben nebenbei mitunter umfangreiche Kenntnisse von den Ängsten, den Gemeinheiten, den schmutzigen Geheimnissen, die in diesen Bereichen verdrängt werden. Was würde passieren, wenn sie davon erzählten? Wie wäre die Weltgeschichte anders geschrieben worden, wenn nicht aus der Sicht der „heldenhaften“ Erobererinnen, sondern als schonungslose Darstellung der Gier und der Habsucht?

Auch wenn die Stadt aus Gold in Wirklichkeit nie existierte, als Sinnbild steht Eldorado auch für Sehnsüchte und Träume, die Vorstellung, dass das Leben ganz anders sein könnte, wenn nur … Wer kennt solche Träume nicht? Manche solcher Träume entpuppen sich als traurige, enttäuschende Illusionen, doch es gibt auch Träume, die sich tatsächlich ver wirklichen lassen. Die Sehnsucht nach einem guten Leben kann erfüllt werden – nur muss frau sich erst klar machen, was wirklich zu einem „guten Leben“ dazu gehört, und dann müssen die Bedingungen dafür gegeben sein. Allein, isoliert, ausschließlich für eine Einzelne und die ihren läßt sich der Traum niemals realisieren. Wer sich allein auf dem Weg nach Eldorado macht, wird sich bald hoffnungslos verirren. Wer das mythische Gold für sich allein horten will, findet es nie.

Mit Forderungen wie „Partizipation statt Integration“ betont MAIZ, dass das gute Leben nicht auf Kosten von anderen aufgebaut werden kann. Mit dem Motto AM ANFANG WAR ELDORADO. Europas Suche nach dem Eldorado und die Utopien der Migration wird ernsthaft nach unser aller Träume gefragt. Lassen sich unsere Sehnsüchte nach einem guten Leben von der Gier irreführen, oder bauen wir gemeinsam eine „goldene Stadt“, in der alle gut leben können?

Aileen Derieg arbeitet als freiberufliche Übersetzerin, lebt in Linz. http://eliot.at

 

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